Free Jazz ist Pop

Und gleich noch so ein unglaublich überraschendes Comeback im Sommer der unglaublich überraschenden Comebacks! Nach Bobby Womack und Dexys ist auch Neneh Cherry (»Buf­falo Stance«, »7 Seconds«) wieder da, schlappe 16 Jahre nach »Man«, ihrem vorherigen Album. Und ihr geht’s auch nicht um die Verwaltung ihrer Hip- oder TripHop-Meriten, sondern vielmehr um die Musik ihres Stiefvaters Don Cherry. It’s a new thing! So wie damals, 1982, als die damals 18jährige die Popwelt mit Rip Rig + Panic aufmischte. Die norwegisch-schwedischen Brachial- und High Energy-Jazzer von The Thing (die sich einst nach einem Stück von Don Cherry benannten) geben auf dem neuen Album eine wirklich irrwitzige Interpretation von »Begleitband« und scheinen zu allem bereit zu sein. Sogar zu, hmm: Pop? Im Gespräch schwärmt Neneh Cherry, die sich als Teil einer Band begreift: »Es ist unglaublich, mit The Thing zu spielen. Weil ihre Energie und ihre Hingabe einen fast wegblasen. Für sie scheint das Musizieren eine Frage von Leben und Tod.« Hier werden die Stooges (»Dirt«) und Suicide (»Dream Baby Dream«) kongenial gecovert, aber eben auch Ornette Coleman und Don Cherry. Beim Konzert in Karlsruhe vor ein paar Tagen war es dem dynamischen Quartett zwar ein Leichtes, Nenehs alte Fans gehörig vor den Kopf zu stoßen, ansonsten aber war ausgerechnet die Frontfrau leider der Schwachpunkt der Performance. Ihr fehlt einfach die Stimme, um auf dem Interaktionsplateau von The Thing ­bestehen zu können.

Neneh Cherry & The Thing: The Cherry Thing (Smalltown ­Supersound/Soulfood)