»Frauen müssen hinten mitlaufen«

In Deutschland gibt es seltsame Bräuche: Die 13 000 Einwohner der hessischen Stadt Biedenkopf begehen Mitte August wieder den »Grenzgang«, bei dem unter anderem die Figur des »Mohren« eine wichtige Rolle spielt. Antonia Landgraf, eine Vertreterin der antifaschistischen und antisexistischen Gruppe »Lisa:2« aus Marburg, kritisiert das Spektakel.

Wie läuft der Grenzgang in Biedenkopf ab?
Das Fest findet alle sieben Jahre statt und dauert drei Tage. Teilnehmer des Grenzgangs laufen einmal die gesamte Stadtgrenze entlang der Grenzsteine ab. Die Figur des sogenannten Mohren wird dabei von einem weißen Mann gespielt, der sich das Gesicht schwarz schminkt. Allein das ist überaus rassistisch konnotiert. Dazu trägt er noch einen schwarzen Bart, eine Husarenuniform und einen Säbel. Er läuft vorne als Erster, führt den Grenzgang an oder wird von den Grenzgängern verfolgt, je nach Perspektive. Hinter ihm laufen die sogenannten Wettläufer, zwei mit Peitschen bewaffnete Männer. Sie sollen zum einen die Leute jagen, die vom Weg abkommen, laufen mit ihren knallenden Peitschen aber auch direkt hinter dem »Mohren«, was eindeutig kolonialistische Bezüge hat.
Lässt sich der Brauch auf die Kolonialgeschichte zurückführen?
Die Anfänge des Grenzgangs liegen im 17. Jahrhundert. Die verschiedenen Symbolfiguren wie der »Mohr« und der Wettläufer sind erst später entstanden. Der »Mohr« dürfte im Zuge des Kolonialismus dazugekommen sein, dem vorhandenen Brauchtum wurde eine kolonialistische Tradition hinzugefügt.
Dürfen auch Frauen mitmachen?
Es gibt beim Grenzgang einerseits Männergesellschaften für verheiratete Männer und Burschenschaften für unverheiratete Männer, andererseits Damen- und Mädchenschaften, ebenfalls getrennt in Verheiratete und Unverheiratete. Es gibt also eine heteronormative Geschlechtertrennung. Der weibliche Teil ist von repräsentativen Aufgaben ausgeschlossen. Beim Grenzgang müssen Frauen hinten mitlaufen. Während der Rast sind sie ganz klassisch für das leibliche Wohl zuständig.
Stört sich jemand an dem Fest?
Es gibt keine Kritik. Deshalb ist unsere Gruppe aktiv geworden, denn der Rassismus und der Sexismus der Veranstaltung sind offensichtlich. Politische Amtsträgerinnen und Amtsträger beteiligen sich, das Spektakel hat den Charakter eines Volksfestes, bei dem alle mitmachen.