Verbindungen zwischen Rockerclubs und Neonazis

Mehr als Motorradliebe

Verbindungen zwischen Rechtsextremen und Rockerclubs sind meist Einzelfälle. Von solchen gibt es jedoch unzählige.

Die Polizei suchte eine Panzerfaust. Den Hinweis hatte den Kölner Beamten ein Zeuge gegeben. Doch bei der Razzia am Donnerstag voriger Woche bei dem Unterstützer der Red Devils Cologne fanden sie diese Waffe nicht. Im Elternhaus des 21jährigen Auszubildenden im Stadtteil Vogelsand entdeckten sie auch nur wenige Rockerdevotionalien der Hells Angels. Eine Kappe, Aufnäher, mehr nicht. Aber die Polizisten stellten andere einschlägige Utensilien sicher: Eine Fahne mit dem Konterfei Adolf Hitlers und mit dem SS-Wahlspruch »Meine Ehre heißt Treue«. Acht Fahnen mit rechtsextremen Slogans und Logos sowie diverse CDs von Rechtsrockbands fanden sie insgesamt. Die politische Orientierung des Rockers sei für sie neu gewesen, sagte ein Ermittler.
In dem Jugendzimmer stießen die Beamten auch auf Waffen. Zwar fanden sie keine Panzerfaust, aber eine Panzerfaustabschussvorrichtung, Gaspistolen, beidseitig geschliffene Messer und 100 Gramm Schwarzpulver mit Zündschnüren. »Damit kann man einen gewaltigen Sprengsatz bauen«, erklärte später Kriminaldirektor Klaus-Stephan Becker. Die Nähe des Azubis zur rechtsextremen Szene und zum Rocker-Milieu mag den Ermittlern unbekannt gewesen sein. Die Verbindungen zwischen diesen männerbündischen Clans, die beide einen Kult der Maskulinität betreiben, fallen jedoch immer wieder auf.

Vor allem im Türsteher- und Security-Geschäft begegnen sich Angehörige beider Szenen, berichten Insider. Aus gegenseitiger Achtung zwischen Rocker-Chef und Rechtsextremenkader könne eine Zusammenarbeit entstehen. »Sie haben sich zusammengeschlossen, um aus dem Schutz der Gruppe heraus kriminelle Geschäfte zu betreiben«, sagt Stefan Jung vom Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein. Ein Überblick über diese Verbindungen sei schwer zu geben, sagt Gabriele Nandlinger, Redakteurin beim Informationsdienst Blick nach rechts. In Kassel hilft ein einschlägiger Straftäter sogar beim Aufbau eines neuen Heims für den Club der Bandidos mit. Ende Oktober 2011 hatte die Kriminalpolizei einen internen Vermerk über die Entwicklung des dortigen Clubs erstellt. Die Beamten hatten nicht nur mutmaßliche Beziehungen zum Rotlichtmilieu festgestellt, sondern auch zur rechten Szene. Ein aktives Mitglied der Bandidos, heißt es in dem Vermerk, sei ein »bekannter REMO-Straftäter«. Das Kürzel steht bei der Polizei für »rechtsmotiviert«.

Ein Mitglied der Bandidos, das sich schon öfters über seine Grenzgänge geäußert hat, ist Peter Borchert, einst NPD-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein und Kameradschaftsaktivist in Neumünster und Kiel. Rocker oder Rechstextremer? »Vielleicht verstehe ich mich als Revolutionärer«, sagte der Enddreißiger gelassen im Gerichtsflur am Rande eines Verfahrens im Februar 2010. Vor Gericht stand er da nicht zum ersten Mal. Schon als Jugendlichen verurteilte ein Gericht ihn wegen eines Tötungsdeliktes. 2004 musste er wegen Waffenhandels ins Gefängnis. Vier Jahre später, 2008, war er angeklagt, weil er mit einem Messer zwei Mitglieder der Hells Angels verletzt haben soll. Dem Schweigekodex der Rockerclubs verdankt es Borchert, dass er trotz bewiesenen Zustechens freigesprochen wurde. Als schlichter Motorradrowdy will er aber nicht betrachtet werden. Im Gefängnis habe er viel von der »Konservativen Revolution« gelesen, sagte er. Das habe ihn sehr beeindruckt und dazu bewegt, das Rockertum als »antibürgerlichen Lebensstil« zu pflegen.
Die Kutte der Bandidos trägt auch Sascha Roßmüller. Vor einem Jahr löste die Mitgliedschaft des bayerischen NPD-Landesvizevorsitzenden und sächsischen Landtagsfraktionsmitarbeiters eine Debatte in der Szene aus. Eine Bild auf der Website der Bandidos Regensburg zeigt ihn in Rockerkluft, den rechten Arm um einen Club-Kollegen gelegt und die linke Hand zur Pistole geformt. Auf dem größten deutschen rechten Portal »Altermedia« pöbelten Kommentatoren, was ein NPD-Kader bei einer Bande »aus kriminellen Türken und Arabern« zu suchen habe. Die Bandidos nehmen in der Regel eher Einwanderer und Ausländer auf als die Hells Angels. Roßmüller äußerte sich nicht. Holger Apfel, damals Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen und noch nicht NPD-Bundesvorsitzender, verteidigte ihn als »engagiert kämpfenden Parteifreund«. Der Geschäftsführer der bayerischen NPD, Axel Michaelis, meinte damals, die Mitgliedschaft in einem Rockerclub sei »reine Privatsache«.
Im niedersächsischen Oldenburg räumen die Bandidos ihre Verbindungen offen ein. »Wir schauen nicht, wer in seiner Vergangenheit etwas gemacht hat, ob Neonazi oder Linksextremer, bei uns kriegt jeder seine Chance, wenn er sich nur an die Regeln hält«, bestätigte »Witchi«, Präsident des Chapters in Oldenburg, dem Tagesspiegel. Er betonte: »Natürlich gibt es manchmal auch Überschneidungen, etwa bei Veranstaltungen. Wir stellen die Räume zur Verfügung, kümmern uns manchmal auch um den Getränkeverkauf, aber das sind rein geschäftliche Interessen, mit Politik haben wir nichts am Hut.«

Auch die Hells Angels behaupten, keine politischen Ambitionen zu haben. Im Clubraum der Hells Angels in der Nähe von Bremen fanden aber auch, ebenso wie in den Räumen der Bandidos in Mannheim, Rechtsrockkonzerte statt. Die gemeinsame Nutzung von Räumen befürchtete auch die Gesamtgemeinde Lühe bei Stade. Nicht ohne Grund: 2010 hatte der Rocker und Rechtsextremist Sebastian Stöber das ehemalige Ausflugslokal »Zur Symphonie« für etwa 115 000 Euro ersteigert. Für den Rockerclub »Gremium MC« soll Stöber, der für die NPD bei der Bundestagswahl kandidierte, die Immobilien erworben haben. Mit Hilfe des Baurechts konnte die Gemeinde die Nutzung verhindern.
In Gägelow in Mecklenburg-Vorpommern gehörte 2008 ein Neonazi gleich zum Gründungkreis des Motorradclubs Schwarze Schar MC Wismar. Zuvor hatte Philip Schlaffer den Szeneladen »Werwolf Shop« in Wismar betrieben. Der Bundesregierung sind die Verbindungen zwischen Rockerclubs und Rechtsextremen nicht entgangen. Auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag erklärte das Innenministerium jedoch, dass »lediglich einige wenige, einzelfallbezogene Kontakte von Rechtsextremisten zu Angehörigen von Rockerclubs« festzustellen seien. Dabei handele es sich überwiegend um persönliche Kontakte, meist auf lokaler Ebene. Ulla Jelkpe beruhigt das wenig. Diese Mischszene sei ein »hochgefährliches Gebräu«, sagte die Bundestagabgeordnete der »Linken« – nicht zuletzt wegen der Waffen, die sie besitze. Im Berliner Abgeordnetenhaus bekam die Abgeordnete Clara Herrmann (Grüne) vom Senat eine ähnliche Antwort. Persönliche Kontakte seien bekannt, hieß es, und dass die Lokale »Zum Einsenbahner«, »Drak7Side« und »Germanenhof« von Angehörigen beider Szenen frequentiert würden.
»Bei allen Differenzen finden sich im Gruppenverhalten der Rockerclubs Positionen, die Rechtsextremen entgegenkommen«, sagt Rena Kenzo, Mitgründerin des Forschungsnetzwerks »Frauen und Rechtsextremismus«. Die Hierarchien, Probezeiten, Rituale und Ehrenkodizes der geschlossenen Rockergemeinschaften gebe es so ähnlich auch in rechtsextremen Gruppen, die ebenfalls den Charakter eines Bundes gewaltbereiter Männer hätten, für die Frauen nur als Beiwerk existieren.