Kirchenrechtlicher Streit um eine Universität in Peru

Päpstlicher als der Papst

Der Vatikan hat der renommierten Päpstlichen Katholischen Universität von Peru das Recht aberkannt, die Bezeichnung »päpstlich« und »katholisch« zu führen.

Er fühle sich nicht als Sieger, erklärte der Erzbischof von Lima, Kardinal Juan Luis Cipriani, in der Radiosendung Diálogo de Fé (Glaubens­dialoge). Auch stecke er nicht hinter dem Dekret des Vatikans, so seine Versicherung. »Ich bin nicht der Verantwortliche für diese Entscheidung«, sagte der Geistliche. Die Universitätsleitung sollte aber ihren Fehler eingestehen. Sie sollte »die Größe haben, zu sagen: ›Wir haben uns geirrt. Vielleicht haben wir nicht verstanden oder wir haben die Sachen nicht so betrieben wie es nötig gewesen wäre.‹«
Doch von einer solchen »Einsicht« ist die Universitätsleitung weit entfernt. Als »bedauerlich« bezeichnete sie die Entscheidung des Vatikans, der Universität das Recht abzusprechen, sich weiterhin »päpstlich« und katholisch« zu nennen. Nach ganztägiger Beratung gab dann am Montagabend vergangener Woche die Universitätsversammlung aus Professoren, Studenten und Verwaltung bekannt, dass sie ihren Namen zunächst nicht ändern und sich weiter »päpstlich« und »katholisch« nennen wird. Der Name sei durch peruanische Gesetze geschützt und unterstehe nicht dem Kirchenrecht. Nach einer baldigen Einigung klingt das nicht.
In einem vom Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone unterzeichneten Schreiben vom 11. Juli an den Rektor der Universität hatte der Vatikan der angesehenen Hochschule untersagt, die Bezeichnungen »päpstlich« und »katholisch« im Titel zu führen. Sie sei der Anpassung ihrer Statuten nicht nachgekommen und folge Kriterien, die mit der »Moral und Disziplin der Kirche« nicht vereinbar seien. Damit erfülle sie ihre ursprüngliche Gründungsmission nicht mehr.
Mit dieser Reaktion zog der Vatikan nun einen Schlussstrich unter den monatelang schwelenden Rechtsstreit. Die Geduld des Heiligen Stuhls war augenscheinlich aufgebraucht. Im September vergangenen Jahres hatte die Universitätsversammlung die geforderte Anpassung abgelehnt und erklärt, die Universität richte sich ausschließlich nach der Verfassung und den Gesetzen Perus und den eigenen Statuten. Das Ultimatum vom 8. April ließ man verstreichen. Der Vatikan wies darauf hin, dass er die Univer­sität seit 1990 immer wieder aufgefordert habe, ihre Statuten zu ändern, was nicht geschehen sei, weshalb man sich »gezwungen« gesehen habe, diese Entscheidung zu treffen. Mit der Aberkennung der Titel gibt Rom jedoch seine Rechte nicht auf. Die Universität unterstehe weiterhin kirchlichem Recht.
Aus Sicht der Verantwortlichen der Hochschule ist der Namensstreit ohnehin nur vorgeschoben. Für sie steckt der Erzbischof von Lima, Cipriani, dahinter – in dem Bemühen, die Universität und ihre Liegenschaften unter kirchliche Kontrolle zu bringen. »Was hier geschieht, ist der Versuch des Erzbischofs von Lima, die Verwaltung zu übernehmen und damit die Kontrolle über die wirtschaftlichen Güter, um so Entscheidungen zu treffen«, sagte Marcial Rubio Correa, Rektor der Universität, gegenüber CNN. Auch könne der weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Name der renommierten Universität nicht von heute auf morgen verboten werden. Die Universitätsleitung ließ zwar verlauten, eine Namensänderung in Betracht zu ziehen, auch wenn man den derzeitigen behalten wolle, aber eine Entscheidung werde es so schnell nicht geben. »Wir haben die Unterstützung der peruanischen Gesetzgebung, wir werden keinen Konflikt beginnen. Wenn es einen Konflikt geben sollte, dann wegen des Vatikans und dem Erzbischof von Lima. Wir als gute Katholiken wollen Frieden. Der Kardinal will das Vermögen kontrollieren, um so die Universität lenken zu können«, erklärte Rubio.
Cirpiani, der zu den führenden Mitglieder des rechten Geheimbundes Opus Dei in Lateinamerika gehört, warf der Universitätsleitung vor, das Thema zu benutzen, um die Bischofskonferenz zu spalten.
Der seit vielen Jahren schwelende Disput war in den vergangenen Jahren eskaliert, als Kardinal Cipriani, der zugleich Großkanzler der Universität ist, eine Mitbeteiligung an der Vermögensverwaltung der Hochschule forderte. Im Kern geht es um eine Verfügung des 1944 verstorbenen peruanischen Aristokraten und Gelehrten José de la Riva-Agüero y Osma, der die Universität als Alleinerbin seines umfangreichen Vermögens eingesetzt hatte. Das Testament sah ein gemeinsames Vorstandsgremium vor, bestehend aus Rektor und einem Gesandten des Erzbischofs von Lima. Die Liegenschaften der Universität sollten 20 Jahre lang gemeinsam verwaltet werden und danach komplett an die Hochschule übergehen. Dies wird von der Kirche in Frage gestellt. Ihr zufolge beruft sich die Universität auf eine erste Version des Testaments, während eine zweite Version der Kirche das Recht auf einen permanenten Sitz in dem Gremium garantiere.
Das letzte von Rom anerkannte Statut der Universität stammt aus dem Jahr 1967. Seitdem hat die Universität in Übereinstimmung mit dem peruanischen Gesetz ihre Führung selbst gewählt. Davor war der Rektor jeweils vom Vatikan ernannt worden. Auch wenn der Heilige Stuhl den Statuten seine Zustimmung verweigerte, wurden die gewählten Rektoren in der Regel anerkannt. Auch das änderte sich, als Cip­riani an die Spitze der Erzdiözese bestellt wurde. Weder der derzeitige Rektor, Rubio, noch sein Vorgänger wurden vom Vatikan bestätigt.
Neben der Kontrolle über das beträchtliche Immobilienvermögen der Universität geht es auch um die Autonomie der Universität mit ihren rund 23 000 Studenten. Die Hochschule war 1917 von Pater Jorge Dintilhac als katholische Universität gegründet worden. Träger ist seither die Erzdiözese Lima. Seit 1942 hatte die Einrichtung zudem das Recht, sich »Päpstliche Universität« zu nennen. Sie gilt als eine der größten und renommiertesten Hochschulen des Landes. Der peruanische Präsident Ollanta Humala und Perus neuer Premierminister Juan Jiménez Mayor gehören zu ihren Absolventen. Im Laufe der Jahrzehnte war die Universität immer wieder in innenpolitische Konflikte verwickelt und wurde zunehmend von laizistischen Ideen beeinflusst. Lange Zeit galt sie als Zentrum der marxistischen Befreiungstheologie. Im Namen der Freiheit der Lehre wurden liberale Positionen verbreitet, die im Widerspruch zur Lehre der Kirche standen. Die Weigerung der Universitätsgremien, die Autorität und Zuständigkeiten von Cipriani als Großkanzler anzuerkennen, ist deshalb auch ein Konflikt um die Aufsicht über die Lehrinhalte. Dem Erzbischof geht es nicht zuletzt auch darum, die universitäre Lehre enger an offizielle kirchliche Positionen zu binden.
Juristisch gesehen steht dem Vatikan wohl das Recht auf Namensaberkennung zu. Sowohl das Kirchenrecht als auch das peruanische Recht erkennen dies an. Sollte sich die Universität weigern, die Entscheidung umsetzen, könnte Rom über die Nuntiatur, seine offizielle diplomatische Vertretung, die peruanische Regierung zum Eingreifen drängen. Falls die Universitätsleitung nicht doch noch einlenkt, dürfte dies auch Auswirkungen für die Studenten haben. Die Kirche könnte die Ausstellung von akademischen Abschlüssen mit dem bisherigen Titeln verbieten lassen, womit deren Anerkennung auf dem Spiel stünde.