Die Reaktion

Wenn uns Leserbriefe in einem Umschlag erreichen, stammen sie meist, naja, sagen wir so, von älteren Herren, die uns mit ihrer auf kleinsten Zeilenabstand geschalteten Schreibmaschine oder in altdeutscher Krakelschrift von einem unserer Artikel tief erschüttert auf vielen Seiten Papier erklären, wie sie wirklich ist, die Welt da draußen. Aber nicht immer. Eigentlich freuen wir uns, wenn Leser sich via Post an uns wenden, wollen sie sogar ausdrücklich dazu ermuntern – ohne tieferen Sinn, einfach so, aus einer vielleicht romantischen Sommerlaune heraus. Jedenfalls schrieb uns zum Artikel »Recht vor Glaube« (29/2012) auf echtem weißen DIN-A4-Papier Anne R.: »Wenngleich ich auch der Autorin im Großen und Ganzen zustimme: Es gibt weder jüdische noch muslimische Kinder! Es gibt auch keine katholischen oder evangelischen Kinder. Es gibt nur Kinder jüdischer oder muslimischer Eltern!« Ganz klassisch, also per E-Mail, schrieb uns Dylan E. zum Thema Rocker (31/2012): »Vor allem ein paar Kommentare von John Doe über die dubiose wie unreflektierte Solidarität von Bewegungslinken mit jeglichen Underdogs sind bedenkenswert. Denn sie ist strukturverwandt mit der pseudo-antiimperialistischen Solidarität mit militant-›reli­giösen‹, frauenfeindlichen Gruppen wie Hamas oder Hizbollah. Oder mit der dümmlichen Sympathie für den vermeintlichen ›edlen Wilden‹, der noch authentisch und naturverbunden seinem Trieb folge …« Und im Blog »Ritinardo« lasen wir: »Solange die Öffentlichkeit bestimmte Antworten nicht sehen und hören will, bleibt ihr die Wahrheit verborgen. Aber genau dies ist der Grund, warum der NSU so lange ungehemmt morden konnte. Und eben nicht nur der NSU. Von den insgesamt 149 Todesopfern spricht man lieber nach wie vor nicht. So kann man auch den NSU weiter als Ausnahme sehen, die ja nun beendet ist. Aber wenn man so ab und zu in die Rubrik ›Deutsches Haus‹ in der Jungle World reinschaut – die ganzen Sachen, die nicht hochgekocht werden, dann sieht der Zusammenhang ganz anders aus. Dann ist rechtsradikaler Terror in Deutschland die Normalität.«