Mo-Jew

Aufgewachsen im Süden der Vereinigten Staaten, beobachtete ich, als ich später nach Neuengland zog, ein eigenartiges Phänomen: den Eifer eines ­gewissen Typus von Liberalen, die Sünden der Vergangenheit wiedergutzumachen, indem sie sich ihren Lebenspartner auf der anderen Seite der »farbigen Linie« suchten – gleichsam als sexuelle Reparation für die historische Schuld der Weißen.
Es schien mir, dass ich als Jude in Deutschland etwas Ähnliches erleben könnte. Als Vertreter einer einst verachteten Minderheit werde ich hier freundlicher willkommen geheißen als in vielen anderen Ländern. Hier gelte ich als exotisch und irgendwie geheimnisvoll und werde zum Mythos erhoben, dachte ich mir. Ich bin ein Jude, das ist fast schon so gut wie ein Zigeuner. Ich spiele begeistert Klezmermusik und tanze in einem Zauberkreis. Ich bin warmherzig und emotional. Und dafür ist man mir etwas schuldig, überlegte ich mir. Wie es so schön heißt: »Once you’ve had black you don’t go back – and once you’ve had Jew, that’s all you’ll do.«
Unglücklicherweise waren meine Versuche, diesen Mythos angemessen zu verkörpern, bislang nicht von Erfolg gekrönt. »Haben Sie jemals einen echten Juden getroffen?« fragte ich kürzlich ein blondes, blauäugiges Fräulein in einer Bar. »Die Mutter meiner Mutter war Jüdin«, antwortete sie. Ich stellte einer anderen die gleiche Frage. »Die Mutter meines Vaters war Jüdin«, sagte sie. Also weiter zu einer Dritten. Die Antwort: »Mein Stiefbruder ist Jude.« Offenbar hatte Hitler recht. Wir haben die Reinheit eurer Rasse erheblich verwässert. »Sie sind so blond«, sagte eine weitere Frau zu mir. »Sind Sie sicher, dass Sie Jude sind?« »Die Mutter meiner Mutter war Vollblutarierin«, scherzte ich. »Das dachte ich mir«, antwortete sie.
Es lässt sich nicht bestreiten, meine Versuche, mich als exotischer »Anderer« und Opfer der Geschichte anzupreisen, sind nicht so gut gelaufen. Juden gelten hierzulande einfach als ein wenig zu alltäglich, selbst wenn sie nicht leibhaftig anwesend sind. Wir sind so sehr Teil des kulturellen Gedächtnisses geworden, dass es ist, als hätten die Deutschen uns stellvertretend absorbiert, eine gestörte Beziehung wurde durch Heirat aufgelöst, und hat dadurch, wie so viele Ehen, ihren Reiz verloren.
Aber ich habe eine Idee, wie sich das ändern lässt. Wenn ich das nächste Mal eine ahnungslose Schönheit treffe, werde ich das sprichwörtliche Mojo mit meinem Mo-Jew kombinieren und behaupten, dass ich sowohl jüdisch als auch schwarz sei. Und wenn ich schon dabei bin, werde ich noch ein paar andere Einflüsse ins Spiel bringen – etwas Spanisch, um das Blut in Wallung zu bringen, einen Schuss Italienisch für die Romantik, vielleicht ein bisschen Polnisch, um zu beweisen, dass ich bodenständig bin. Auf diese Weise werde ich mir die letzten verbliebenen Spuren der weißen europäischen Schuld zunutze machen.