Der »Quds-Marsch« in Berlin

Assad muss zu Hause bleiben

Am Samstag soll in Berlin der islamistische »Quds-Marsch« stattfinden.

Der Streit um Syriens Diktator Bashar al-Assad zieht sich auch durch das Bündnis des islamistischen »Quds-Tags«, das ansonsten nicht weniger als die Lösung aller Probleme verspricht und dafür auch unter Linken wirbt. Am kommenden Samstag soll in Berlin der größte regelmäßig abgehaltene islamistische Aufmarsch stattfinden. Der »Quds-Tag« geht auf den iranische »Revolutionsführer« Ayatollah Khomeini zurück, der 1979 die Muslime weltweit dazu aufrief, zum Ende des Ramadan für die »Befreiung« Jerusalems zu demonstrieren. Dass es dabei um weit mehr als das Ende Israels geht, darüber hat am 1. August der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad Botschafter aus islamischen Ländern belehrt. Einem Bericht auf seiner Homepage zufolge sagte er, der Quds-Tag sei nicht nur »eine Strategie zur Befreiung Palästinas«, sondern »ein Schlüssel zur Lösung aller Probleme der Welt«, die seit 400 Jahren von einer »furchtbaren zionistischen Bewegung« gelenkt werde, die hinter den »Weltmächten, Medien, Finanz- und Bankenzentren« stehe. Um den Vorwurf des Antisemitismus abzuwehren, laufen an der Spitze der »Quds-Märsche« häufig ausgerechnet Anhänger von Neturei Karta, einer jüdisch-orthodoxen Splittergruppe, die, motiviert durch extremen Antizionismus, im Juni die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geschändet hat.

Die Berliner »Quds-AG« vertritt die Ideologie des Quds-Tages mit missionarischem Eifer und versucht, ihre frohe Botschaft von der Lösung aller Probleme überall zu verbreiten, wo sich »Widerstand« gegen die herrschende Weltordnung regt. Auf der Website qudstag.eu wird eine Rede dokumentiert, die Jürgen Graßmann, ein Vertreter der Quds-AG, am 12. Mai dieses Jahres ungestört beim Sternmarsch zum internationalen Protesttag gegen Kapitalismus in Berlin halten konnte. Er begrüßte die »Occupy«-Bewegung und wetterte gegen »die Macht des Geldes, diese ein Prozent, die die ganze Welt aussaugen«. Für den Islam warb er nicht, er erhielt aber Beifall für sein Gerede über die »rein materialistische Weltanschauung«, auf der Modernität, liberale Demokratie und Kapitalismus beruhten – eine »grundlegende Fehlentwicklung der westlichen Zivilisation«.
Der diesjährige Marsch ist der Solidarität mit den proiranischen Kräften des »Widerstands« im Nahen Osten gewidmet. Die Aufständischen in Syrien werden hingegen implizit als vom Westen gestützte Terroristen beschrieben, denn »Terrormanagement ist seit dem 11. September ein fester Bestandteil amerikanischer Nahostpolitik«. Allerdings gibt es im Hinblick auf Syrien keine Einigkeit unter den Organisatoren des »Quds-Tages«: Während Graßmann noch im Mai auf einer Demonstration für das Assad-Regime sprach, ist auf der Facebook-Seite zur Veranstaltung zu lesen, dass Assad-Bilder wegen des »unkontrollierbar hohen Konfliktpotentials bezüglich Syriens« von der Demonstrationsleitung nicht zugelassen werden. Unbegründet ist allerdings die Sorge ei­niger Facebook-Kommentatoren, dass die Hizbollah-Fahne von der Polizei verboten würde. »Wenn es keine verbotene Fahne ist, wieso sollte man sie dann auf einer Demonstration verbieten, das macht doch keinen Sinn«, sagte ein Pressesprecher der Berliner Polizei auf Anfrage der Jungle World.

Ein Hizbollah-Verbot ist denn auch eine der wesentlichen Forderungen eines Bündnisses gegen den Quds-Tag, das zu einer Gegenkundgebung am Joachimstaler Platz aufruft. Das Bündnis sieht die Bundesregierung besonders nach dem kürzlich gescheiterten Hizbollah-Verbot auf EU-Ebene und dem Anschlag auf israelische Touristen am 18. Juli in Bulgarien in der Verantwortung. Am Adenauerplatz, wo auch der »Quds-Marsch« beginnen soll, wird es zudem eine Kundgebung eines antifaschistischen Bündnisses geben. Bereits am Freitagabend, vor dem letzten Fastenbrechen des Ramadan, wollen Palästinenser am Rathaus Neukölln eine Demonstration zum Quds-Tag-abhalten, von einer Gegenkundgebung ist bislang nichts bekannt. In Wien dagegen kann am Samstag nicht nur gegen den dortigen Quds-Marsch, sondern auch gleich »für die kommunistische Gesellschaft« demonstriert werden.