Born to be wild

Der im Ausland erfolgreichste deutsche Schriftsteller ist nicht Thomas Mann oder Goethe, sondern der etwas esoterisch angehauchte, fortschrittsskeptische Natur- und Katzenliebhaber Hermann Hesse, der hier eher als Jugendschrifsteller gilt. Von dem hat man lange nichts mehr gehört, was aber an einem selbst liegt. Die Regel geht ja so: Bis 20 sollte man seinen Hesse gelesen haben, danach wird’s einfach schwierig. Und wenn man ihn bis 20 gelesen hat, dann aber ganz andere Leseerfahrungen macht als die beschriebenen, vermisst man ihn irgendwann auch gar nicht mehr. Aber was soll man machen, jetzt ist Hesse-Jubiläum, an den 50. Todestag wurde überall erinnert, und Suhrkamp bringt aus diesem Anlass den ganzen Hesse in einem kompakten Taschenbuchformat heraus. Auch den »Steppenwolf«. Den Lieblingsroman jedes Gymnasiasten, der in den achtziger Jahren kulturell sozialisiert wurde, New Wave gut fand und die Zerbrechlichkeit Kurt Cobains, letztlich auch so eine Harry-Haller-Steppenwolf-Figur, total nachvollziehen konnte.
Harry Haller, dieser einsame Wolf in einer beschissenen Welt, geht im Roman ja schon auf die 50 zu, liest man jetzt auf Wikipedia. Seltsamerweise kam einem dieser Typ, mit dem man sich hundertprozentig identifizieren konnte, damals viel jünger vor. So jung, wie man selbst damals war. Langsam könnte man auch altersmäßig so ein Steppenwolf sein. Vielleicht sollte man den Roman doch nochmal lesen.

Hermann Hesse: Der Steppenwolf. Suhrkamp, Berlin 2012, 423 Seiten, 9 Euro