Kein Vertrauen ohne Betrug

Die USA gelten als ein Land mit grenzenloser Freiheit für Kapitalisten. Häftling Nr. 29296-179 der Federal Correctional Institution Englewood dürfte diese Ansicht nicht teilen. Jeffrey Skilling, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns Enron, soll am 21. Februar 2028 entlassen werden. Ein Gericht befand ihn vor acht Jahren des Insiderhandels, des Betrugs, der Falschaussage und der Verabredung zu Straftaten für schuldig. Eine so respektlose Behandlung eines Leistungsträgers wäre in Europa kaum denkbar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass europäische Manager US-Behörden wie die Börsenaufsicht SEC weit mehr fürchten als die heimischen Staatsanwaltschaften.
So plätscherten auch die Ermittlungen gegen Großbanken, die verdächtig werden, den Referenzzinssatz Libor manipuliert zu haben, vor sich hin, bis die Amerikaner einstiegen. US-Ermittler boten dem Wall Street Journal zufolge Mitarbeitern der Schweizer Bank USB Straffreiheit an, wenn sie kooperieren. Ob tatsächlich konsequent ermittelt werden wird, ist in diesem Fall allerdings fraglich. Grenzenlos ist das Streben nach Gerechtigkeit auch in den USA nicht, so wurde im Fall Enron der damalige Vizepräsident Dick Cheney geschont, der mit dem Konzern eng verbunden war und dem die Schummeleien schwerlich entgangen sein können. Bei der Libor-Manipulation geht es nicht um so banale Dinge wie Korruption, sondern um eine Verschwörung zum Erhalt des globalen Finanzsystems, an der vermutlich alle bedeutenden Banken der westlichen Welt beteiligt waren. Für die London Interbank Offered Rate geben Banken den Zinssatz an, zu dem sie sich untereinander in Dollar und einigen anderen global kursierenden Währungen Geld leihen. Je niedriger der Zinssatz ist, desto größer ist das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Banken. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise gaben die Banken niedrige Zinssätze als die tatsächlich verlangten an. Der E-Mail-Verkehr der Bank Barclays deutet darauf hin, dass die Bank of England darüber informiert war und vielleicht sogar zu Manipulationen ermutigt hat. Bank of England – da denkt man nicht an koksende Hallodris, denen alles zu­zutrauen ist, sondern an gesetzte Herren in einem gediegenen Club mit schweren Ledersesseln und Butlern, die unaufgefordert den Lieblingswhisky reichen. Wenn nicht einmal die Bank of England noch seriös ist, wer ist es dann? Kann anderen Notenbanken entgangen sein, was die britische Zentralbank wusste? Werden die Ermittler das wirklich so genau wissen wollen? Festgestellt werden kann schon jetzt, dass die Stabilisierung des globalen ­Finanzsystems nicht nur eine Nothilfe in Billionenhöhe, sondern auch jahrelange Betrügereien erforderte, und dass man auch einmal untersuchen sollte, ob beim Euribor, dem Libor für in Euro abgewickelte Geschäfte, alles mit rechten Dingen zugegangen ist.