Deutsche Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Katar

Leoparden im Manöver

Deutschland gehört zu den weltweit größten Waffenexporteuren. Nach Saudi-Arabien zeigt mit Katar der nächste Golfstaat Interesse an deutschen Kampfpanzern.

Der Leopard 2 sei »einer der leistungsfähigsten Kampfpanzer in der Welt«, schreibt die eng mit der Bundeswehr verbundene Zeitschrift Euro­päische Sicherheit. In den Ölmonarchien am Persischen Golf sieht man das offenbar ganz ähnlich: Saudi-Arabien hat gegenüber der Bundesregierung und der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) die Absicht bekundet, bis zu 800 »Leos« zu kaufen, das Emirat Katar will mindestens 200 Stück abnehmen. Einem Bericht des US-Internetportals »Defense Industry Daily« zufolge ist hier insbesondere der Typ Leopard 2 A7+ gefragt, der speziell für Militäroperationen in städ­tischen Gebieten entwickelt wurde.

Diesen Aufgaben entspricht die Ausstattung des Kampfpanzers. Mit der vom Rüstungskonzern Rheinmetall produzierten Glattrohrkanone Kaliber 120 Millimeter lassen sich nicht nur panzerbrechende Granaten, sondern auch andere Munitionsarten verschießen. Zu letzteren zählt eine Neuentwicklung mit der Bezeichnung HE DM11, die laut Rheinmetall der »Bekämpfung ungepanzerter oder leicht gepanzerter Ziele« dient. »Weiterhin kann sie«, so das Unternehmen, »bei hoher Präzision und großer Reichweite eingesetzt werden zum Durchschlagen von Deckungen und Bekämpfen von Zielen hinter Deckungen sowie zum Schaffen von Breschen und Durchgängen im bebauten Gelände«. KMW hebt in seiner Produktpräsentation zudem hervor, dass der Leopard 2 A7+ über eine »Schnittstelle zum Anbringen von Anbaugeräten« verfügt. Möglich werde dadurch unter anderem die Ausrüstung mit einem »Räum­schild zum Beseitigen von Minen, Sprengfallen oder Gebäudetrümmern, die Straßen unbefahrbar machen«. »Ready for Urban Operations« meldete denn auch der KMW-Vertreter Torsten Englert auf einer von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) Anfang dieses Jahres in Berlin veranstalteten Konferenz zum Thema »Krieg in den Städten« (Jungle World 6/2012).
Nicht nur bei den Herrscherfamilien der Arabischen Halbinsel, wo sich das gesellschaftliche Leben in vergleichsweise wenigen städtischen Zentren abspielt, gelten »Urban Operations« ­respektive »Military Operations on Urban Terrain« (MOUT) als paradigmatisch für die Kriege der Zukunft. Die Forschungsorganisation der Nato etwa geht in ihrer Studie »Urban Operations in the Year 2020« davon aus, dass die Städte der sogenannten Dritten Welt aufgrund des Bevölkerungswachstums und der anhaltenden Landflucht immer größer und zahlreicher werden. Da die städtische Infrastruktur darauf jedoch nicht ausgelegt sei, müssten viele Menschen ein ärmliches Leben in Elendsquartieren fristen, heißt es. Dies wiederum könne zu »sozialen Unruhen«, »Aufruhr« und »sicherheitspolitischen Bedrohungen« führen, erklären die Nato-Strategen – zumal städtische Ballungsräume aufgrund der dort konzentrierten Einrichtungen von Handel und Industrie »für terroristische Gruppen besonders attraktiv« seien. Nach Auffassung der Europäischen Sicherheit könnten Aufständische in »urbanem Gelände« zudem »Schutz durch enge Anlehnung an die Bevölkerung« suchen, um dann in perfider Weise »Vorteile durch Kollateralschäden in der öffentlichen Meinung zu nutzen«. Umgekehrt, so die Zeitschrift weiter, zeigten gerade die Kriegsoperationen im Irak, im Kosovo und in Afghanistan, dass »Kampfpanzer im bebauten Gelände aufgrund von Feuerkraft, Schutz, Mobilität und psychologischer Wirkung zum Erfolg beitragen können«.

Unterdessen trainiert die Bundeswehr intensiv die Kriegsführung in den Großstädten des globalen Südens. Auf dem bayerischen Truppenübungsplatz Hammelburg fanden in den vergangenen Jahren regelmäßig sogenannte Three-Block-War-Manöver statt. Das Szenario ist die Eskalation eines humanitären Hilfseinsatzes zur blutigen Auseinandersetzung in urbanem Gebiet. Erst unlängst haben die deutschen Streitkräfte bekanntgegeben, dass sie auf dem Gelände des von Rheinmetall betriebenen Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) bei Magdeburg eine eigens für den Häuser- und Straßenkampf konzipierte Übungsstadt errichten werden. »Schnöggersburg« – benannt nach einer 1936 von der Wehrmacht zwangsgeräumten Ortschaft – soll insgesamt 500 Gebäude erhalten, verteilt auf eine »Altstadt«, verschiedene Wohnviertel, ein Industrie­gebiet und ein Elendsquartier; vorgesehen sind außerdem ein U-Bahn-Tunnel, Kanalisations- und Kellerschächte sowie eine »Stadtautobahn«. Dem deutschen Militär zufolge handelt es sich bei »Schnöggersburg« um eine »Fabelstadt, die sich in der ganzen Welt befinden könnte«.
Gleichzeitig ist man auf deutscher Seite allerdings nicht gewillt, allein die Aufstandsbekämpfung in den urbanen Zentren rund um den Globus zu übernehmen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang September vorigen Jahres in einer Rede vor dem »Bergedorfer Gesprächskreis« der Körber-Stiftung unmissverständlich klarstellte. Europa und selbst die USA »würden sich weit übernehmen, wenn sie bei allen Konflikten weltweit eingreifen sollten«, erklärte die Kanzlerin. Sie wolle daher, so Merkel weiter, »die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu be­fähigen«: »Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein.« Wie die Financial Times Deutschland berichtete, präsentierte der deutsche Nato-Botschafter Martin Erdmann anlässlich des Chicagoer Gipfels des Militärbündnisses im Mai dieses Jahres eine »Liste von Nicht-Nato-Ländern (…), in die Waffenlieferungen aus strategischen Gründen möglich sein sollen«. Der Zeitung zufolge umfasst das Papier insbesondere die Staaten des Golfkooperationsrates, zu denen unter anderem Katar und Saudi-Arabien zählen – also diejenigen, die jetzt ihr Interesse am Leopard 2 A7+ für »Urban Operations« angemeldet haben.

Schon heute gehören die Mitglieder des Golfkooperationsrates zu den bevorzugten Käufern von Waffen aus deutscher Produktion. Laut dem Ende 2011 von der Bundesregierung vorgelegten Rüstungsexportbericht für das Jahr 2010 erhielten sie Kriegsgerät im Wert von mehr als 475 Millionen Euro; zwei der Ölmonarchien schafften es sogar unter die Top Ten der Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Die Vereinigten Arabischen Emi­rate stehen mit Exportgenehmigungen in Höhe von über 262 Millionen Euro auf Rang fünf – noch vor den Nato-Verbündeten Frankreich, Italien und den Niederlanden –, Saudi-Arabien befindet sich mit Exportgenehmigungen von mehr als 152 Millionen Euro auf Rang zehn. Gegen die jetzt geplanten Panzerdeals wären das allerdings nur die sprichwörtlichen Peanuts: Allein der Verkauf von 200 Leopard 2 A7+ an Katar brächte KMW rund zwei Milliarden Euro ein. Für die Eigentümer der Waffenschmiede und ihre Unterstützer aus Politik und Medien wäre das mit Sicherheit eine »gute Nachricht«, wie die Schwäbische Zeitung unlängst verlauten ließ; für die Bewohner der Arabischen Halbinsel wohl eher nicht. Am 17. Feb­ruar 2011 hatte der Golfkooperationsrat dem Königreich Bahrain seine »vollkommene Unterstützung« im Kampf gegen die Demokratiebewegung zugesagt, im folgenden Monat entsandte er Truppen vor allem aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf die Insel.