Pump up

Die Fernsehwerbung wird leiser, zumindest akustisch. Anfang September wird eine neue EU-Verordnung dafür sorgen, dass die Lautstärke der Spots nicht mehr allzu brutal von der des Restprogramms abweicht. Ein Spitzenpegel von plus sechs Dezibel bleibt aber erhalten. Über Regelverstärker kann zudem der Eindruck hirnhautbetäubenden Lärms erzeugt werden, ohne dass die Trommelfelle morsch werden.
Volume Surfing, das beliebte psychologische Zermürbungsspiel der Fernsehpärchen, wird also unverdrossen weitergehen: Der mit der Fernbedienung versucht konsequent, die Lautstärke im Minutentakt seinen eigenen verdrehten Bedürfnissen anzupassen; der ohne den Funkphallus versucht ebenso konsequent, den Partner durch Seufzen, Anstoßen oder altkluge Kommentare (»Bei Konzerten gibt’s auch piano und forte, weißt du?«) zum Einstellen der Wunschlautstärke zu bringen. Und beide sind im Recht, denn die Manipulation der Sender geht weit: Schon jetzt wird ihre Eigenwerbung bewusst leiser ausgestrahlt, damit die sich anschließende hochgeregelte Werbung umso peinigender in die Neuronen dringt. Es ist zu erwarten, dass aus ähnlichen Gründen die Antworten in Quizsendungen künftig heruntergesteuert werden, ebenso wie die Konversationen im Krimi: Wenn schon nichts anderes mehr zieht, dann lässt sich die Aufmerksamkeit des Zuschauers wenigstens durch den Zwang erhalten, permanent Verständlichkeit herstellen zu müssen. Wir werden es erleben, dass sich auch Kontrast und Helligkeit ständig ändern, dass der Kanal an entscheidenden plot points selbsttätig wechselt, bis das Programm ohne permanente Manipulation vom Testbild nicht mehr zu unterscheiden ist.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«.