Fremdkörper im Betriebsorganismus

Die von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebene Studie »Braune Ökologen« berichtet über »völkische Siedler«, die in Mecklenburg-Vorpommern ökologischen Landbau betreiben. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft versucht, sich von den rechten Ökobauern zu distanzieren.

Mit vielfältigen Protesten gegen Atomenergie und Gentechnik sowie ihrem Engagement für den Tierschutz haben NPD, Kameradschaften und »Autonome Nationalisten« schon länger gezeigt, dass gerade Nazis der Natur- und Umweltschutz am Herzen liegt. Wirklich überraschend war es daher nicht, als eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zu Beginn des Jahres öffentlich machte, dass auch die ökologische Landwirtschaft und die dahinter stehenden Prinzipien bei Nazis gehörig Anklang finden. Assoziiert man Ökobauern und Biomärkte gemeinhin mit linksalternativen Aussteigern, deren Produkte bewusst konsumierenden Szeneviertelbewohnern ess- und trinkbaren Lebensstil lieferten, drohte nun aufgrund der Medienberichte ein Imageverlust der boomenden Biobranche. Denn besagte Studie mit dem Titel »Braune Ökologen« berichtete von »völkischen Siedlern« in Mecklenburg-Vorpommern, die vor allem im Raum Güstrow-Teterow ökologische Landwirtschaft betreiben. Etwa 60 Erwachsene und deren Kinder erproben demzufolge in Ablehnung der modernen Gesellschaft als Landwirte, Handwerker und Händler das »germanisch artgerechte« Leben »im Einklang mit der Natur und Heimat«. Den ökonomisch-kulturellen Raum für die selbstversorgenden Aussteiger schaffte unter anderem die starke Abwanderung in der zivilgesellschaftlich schwach entwickelten Region, wie auch die rechtsextreme Zeitschrift Hier & Jetzt bemerkte. Sie erblickt in den »unumstößlich kleinen Gemeinschaften der bäuerlichen Siedlung« den ersten Schritt zur Volksrettung.
Neu ist die Entwicklung nicht: Bereits seit den neunziger Jahren siedelten um den Ort Koppelow mehrere Familien in der Tradition der völkischen Bewegung der »Artamanen«. Diese autarken Gemeinschaften, zu deren Anhängern auch Heinrich Himmler und der Ausschwitz-Kommandant Rudolf Höß zählten, ließen sich schon ab Mitte der zwanziger Jahre in dem Gebiet nieder und verknüpften Bauernromantik mit Esoterik und Rassenideologie.

Die Ursprünge der »Artamanen« liegen in der völkischen Bewegung, die mit ihrer antimodernen Zivilisationskritik auch die Anfänge der Naturschutz- und Lebensreformbewegung entscheidend prägte. Aus der Gegenüberstellung von natürlich gewachsenem Bauerntum und heimatzerstörender Moderne wurde schnell das nationalsozialistische Konglomerat aus Blut und Boden, Heimatschutz und Volksgesundheit sowie die ideologische Basis für den eliminatorischen Antisemitismus. Später schufen die Nationalsozia­listen beispielsweise mit dem Reichstierschutz- und dem Reichsnaturschutzgesetz die Grundlagen des modernen institutionalisierten Natur- und Umweltschutzes, die teilweise noch bis in die siebziger Jahre Gültigkeit besaßen. Bereits 1973 nahm die NPD das Thema »Volksgesundheit und Umweltschutz« in ihr Parteiprogramm auf. Auch im Umfeld der Grünen fand sich zu Beginn allerlei rechtes Personal wie der Mitbegründer und völkische Esoteriker, Baldur Springmann.
Nachdem infolge der Studie verschiedene Medien über die historischen und ideologischen Hintergründe des neuen rechten Ökobauerntums berichtet hatten, reagierte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) als Dachverband der ökologischen Landwirtschafts- und Handelsbetriebe in einer Resolution auf die heikle Lage. Neben dem üblichen Bekenntnis zu Demokratie und Meinungsfreiheit findet sich darin ein Plädoyer für die »Freundschaft zwischen Kulturen« und »gegen jeden menschenverachtenden und die Menschenwürde missachtenden Radikalismus«. Verurteilt wird insbesondere »jeder Versuch, das Prinzip des Öko-Landbaus eines standortgebundenen Betriebsorganismus für rechts­radikale Ideologien zu missbrauchen«. Man wolle künftig alles unternehmen, um Verbandsmitglieder mit entsprechender Gesinnung auszuschließen. Zu diesem Zweck sei von den Verbandsmitgliedern eine Satzungsänderung diskutiert worden, die helfen soll, »sich von Mitgliedern zu trennen, die radikale Tendenzen offenbaren«, wie der Vorstandsvorsitzende des BÖLW Felix Prinz zu Löwenstein der Jungle World sagte. Um einen Betrieb auszuschließen, genüge es rechtlich jedoch nicht, auf dessen »Gesinnung« oder »die Mitgliedschaft seines Inhabers in einer Partei« zu verweisen, wenn diese nicht verboten sei. Vielmehr müsse man dem Betrieb aufgrund öffentlicher Äußerungen und Aktivitäten in seiner Eigenschaft als Mitglied nachweisen, »dass er sich vereinsschädigend verhält oder den Vereins­zwecken zuwider handelt«, so Löwenstein. Eine solche Situation sei bislang jedoch noch nicht aufgetreten.

Entscheidend ist auch die Frage, wie fließend die Übergänge zwischen bodenständiger Agrarromantik und völkischer Heimatschutzideologie eigentlich sind. Enthält nicht ein wesentlicher Teil des laut Süddeutscher Zeitung an sich »politisch unverdächtigen Biolandbaus« mit seinen alles andere als progressiven Vorstellungen von Heimat- und Volksverbundenheit, Natürlichkeit, Reinheit und Gesundheit bereits das ideologische Fundament für die Positionen der Öko-Nazis? So passt die der NPD nahestehende Zeitschrift Umwelt & Aktiv mit Artikeln über Bäckerhandwerk und Dachbegrünung zunächst reibungslos ins Gefüge der Selbstanbauer und Umweltbewussten. An anderer Stelle ist dann schon die Rede von der »Zerstörung der Familie, der Völker und einer von uns Nationalen als natürlich empfundenen Ordnung«. Weil sich Regio­nalismus, Ökoidylle und der Bezug auf die eigene Scholle recht gut mit der Ablehnung des Fremden oder Kosmopolitischen vertragen, liegt die Vermutung nahe, dass das regressive Moment in der ökologischen Landwirtschaft bereits angelegt ist.
Gern wird die Betätigung von Nazis im Ökolandbau lediglich als »Missbrauch« angeblich völlig ideologiefreier Prinzipien gedeutet. Doch das Argument, völkische Rechte nutzten die Bio-Landwirtschaft aus, um in der »Mitte der Gesellschaft« anzukommen, greift zu kurz. Zwar ist das Label »Regionalität« tatsächlich oft nur eine kundenbindende Marketingstrategie und das verklärende Ideal des Biobauern nicht mehr als Aussteigerfolklore. Aber beinhaltet nicht bereits der Passus »standortgebundener Betriebsorganismus« in der Resolution des BÖLW eine Vorstellung vom Organischen und natürlich Gewach­senen, die impliziert, dass demgegenüber das Künstliche oder Heimatlose abzulehnen wäre? Für Löwenstein geht es um Deutungshoheiten. Das Problem liege darin, »dass sich viele Vokabeln, die auch im ökologischen Landbau von Bedeutung sind – Gesundheit, Betriebsorganismus, Regionalität, Kreislauf etc. –, im Sinne radikaler Ideologien umdeuten lassen«. »Das macht die Begriffe nicht falsch, aber es diskreditiert sie«, sagt er. Aus diesem Grund sei auch die Resolution so wichtig gewesen. Sie mache deutlich, »dass diese Umdeutungen nicht zulässig sind und auf den Widerstand der Akteure in der Branche stoßen«.