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Dass Praktikantinnen und Praktikanten oftmals unter schwierigen Bedingungen arbeiten, ist bekannt. Schließlich wartet da draußen die kalte, herzlose Arbeitswelt, auf die man ja vorbereitet werden muss. Es gilt das Gesetz des Dschungels, da überlebt nur der oder die Stärkste. Die Jungle World macht hier selbstverständlich keine Ausnahme. Über den täglichen Treppengang in den vierten Stock – der Schlüssel für den Fahrstuhl ist Redakteurinnen und Redakteuren vorbehalten – und steinzeitlich anmutende Computer wurde an dieser Stelle bereits geschrieben. Dass man »fast nichts« an Honorar erhält und zum Einstieg erst einmal eine schwarz-rot-goldene Computermaus aus WM-Zeiten in die Hand gedrückt bekommt, macht einen skeptisch. Die vorgefundenen Artefakte des Redaktionsuniversums verwundern weiter: Da gibt es die Bild-Tasse (»Kein Kaffee ohne Klatsch«), ein Exemplar des neuesten Pamphlets von Michael Moore (zum Glück ein Werbeexemplar) und eine Mini-Freiheitsstatue, die über die Redaktionssitzungen wacht. Und obwohl die Redaktion ja vor allem eine »Papierzeitung« macht, verachtet sie das gedruckte Wort offensichtlich – warum sonst sollte sie die Kapital-Bände, die Bahamas- und Konkret-Jahrgänge ausgerechnet im Raucherzimmer lagern? Mein Herz blutet.
Doch nicht nur die Redaktion, auch manche Autorinnen und Autoren geben manchmal Anlass zur Verwunderung und überholen in ihrem Arbeitseifer selbst die FDP, indem sie von der Redaktion fordern, doch bitte auch am Wochenende ständig erreichbar zu sein. Und obwohl man sich hier nicht ganz zu Unrecht als anderen Schreiberlingen überlegene intellektuelle Avantgarde gibt, fühlt man sich offenbar trotzdem mit den seltsamsten Vertretern der Zunft verbunden. Wie sonst kann man den Slogan der aktuellen Abokampagne, der ausgerechnet »Gerechter Zorn« lautet, verstehen, wenn nicht als Hommage an das Motto einer Kolumne des Berliner Springer-Blattes B.Z. (»Mein Ärger«)? Jeder einzelne Text dieser B.Z.-Kolumne ist deutsche Ideologie wie aus dem Bilderbuch. Will die Jungle World etwa dem Verfasser Gunnar Schupelius Respekt zollen? Über die Gründe zu diesem Schritt kann nur spekuliert werden: Wer davon lebt, zu kritisieren, braucht eben Feinde und die muss man sich warm halten. All das ändert natürlich nichts daran, dass Sie eine der intelligentesten Zeitungen überhaupt in den Händen halten und am besten gleich das erwähnte Nemesis-Abo abschließen sollten. Sie bekommen immerhin ganze vier Ausgaben umsonst, inklusive der Sonderausgabe, die vor Ort in Griechenland produziert wird, und das ganz ohne Schupelius. Das ist doch schon mal was.