Hyper-Understatement

Wer schneller wächst, als es dem ­eigenen Ego guttut, kann es entweder mit Bescheidenheit und Tiefstapelei versuchen. Oder er geht vollkommen in der eigenen Hybris auf; fühlt sich als göttergleicher Welterschütterer, als die Eiche, an der die Sau sich nicht nur reiben soll, sondern in deren Wurzelwerk sie ein eigenes Sauen-Erlebnis-Spa findet.
Einen interessanten Mittelweg hat das Küchenhaus »Küchen aktuell« gewählt, das in Berlin laut Plakatwerbung »die schönsten Küchenfachmärkte der Welt« betreibt. Was noch als ironisch-bescheidenes Eigenlob gewähren kann, ähnlich der Hausfrau, die den tollsten Apfelkuchen seit Kriegsende herbeiknuspert, greift spätestens beim Claim nach den Sternen: »Küchen aktuell – Ihr sympathischer Küchengigant«. Jawohl, der liebe Riese K. A.! Das zündet, das brummt, das brezelt voll rein! Die ganz Kleinen werden sich ans tapfere Schneiderlein, Ältere an die Band Gentle Giant erinnert fühlen, literarhistorisch Versierte werden gar an Oscar Wildes Märchen vom pädophilen Riesen denken. Im Bild des zärtlichen Zyklopen verschränken sich zauberisch Macht und Güte, baumdicker Arm und goldenes Herz, Milde und Drohung.
Die eigene Stärke zeigen, ohne Schwächere zu provozieren: Das ist die PR-Kunst der großen Marken! Bald schon werden sie sich nicht mehr hinter nebulösen Nachhaltigkeitsbekundungen verbergen, sondern mit mutigen Slogans blankziehen: Eon – der freundliche Atommutant! Deutsche Bank: die lustige Giftspinne! Krauss-Maffei Wegmann: Töten mit einem Augenzwinkern! So gibt man der Werbung immerhin die Ehrlichkeit zurück.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«.