Wettskandal im norwegischen Fußball

Tausche Spielgewinn gegen Urlaub

Im norwegischen Fußball gibt es einen Wettskandal. Doch wer die Hintermänner sind, ist unbekannt.

Der 24. Juni war kein schöner Tag für die Fans von Follo FK. Nachdem die Kicker des im Jahr 2000 aus der Fusion von sechs benachbarten Clubs entstandenen Vereins im Auswärtsspiel gegen Østsiden den Treffer zum 0:3 erzielt hatten, ging plötzlich alles schief, am Ende verloren die Fußballer aus Ski, einem Ort nahe Oslo, mit 4:3.
Doch es sollte noch schlimmer kommen: Keine drei Wochen später stand fest, dass beim Match geschoben worden war, drei Follo-Spieler gaben zu, in die Manipulation verwickelt gewesen zu sein. Bis zu 100 000 Kronen, umgerechnet knapp 14 000 Euro, hatten die Männer für die Niederlage erhalten – das Geld gaben sie schnell wieder aus, beispielsweise für Urlaub in schicken Hotels.
Auch das Spiel zwischen Frigg und Asker, das eine Woche später stattfand, erwies sich als manipuliert. In sechs Wettbüros waren ungewöhnlich hohe Summen auf diese beiden Spiele gesetzt worden – in einem wurden innerhalb einer Stunde 70 000 Kronen, umgerechnet knapp 10 000 Euro, platziert.
Der norwegische Fußball ist für Zocker auch wegen der Spielpläne interessant, denn im Gegensatz zu den west- und südeuropäischen Ligen kennt man dort keine ausgedehnte Sommerpause. Aufgrund der langen Winter beginnt die Saison erst Mitte April, in diesem Jahr ist sie am 20. Oktober schon wieder zu Ende. Lediglich vor dem Beginn der fellesferie, der meist vom 1. bis 30. Juli dauernden gemeinsamen Ferien, in denen viele staatliche Einrichtungen wie Schulen, aber auch Betriebe geschlossen sind, machen die Ligen knapp drei Wochen Pause.
Am 13. Juli war aus dem Verdacht Gewissheit geworden, die Osloer Kripo gab bekannt, dass sie nunmehr gegen vier verdächtige Spieler ermittele – drei von Follo, einen von Asker. Hans-Erik Eriksen, der Trainer von Follo, gab wenige Tage später zu, dass er fünf Jahre lang, von 2000 bis 2005, Informationen an »jemanden aus dem Zockermilieu« weitergegeben und dafür »Zigtausende Kronen erhalten« habe – allerdings wehrte er sich gleichzeitig vehement gegen den Verdacht, in Wettmanipulationen verwickelt gewesen zu sein.
Vor einigen Tagen gab der Präsident von Follo, Ole Bjørn Fausa, bekannt, dass der Coach das Team nicht länger trainieren werde: »Er ist nicht beurlaubt, er ist nicht suspendiert, aber ihm werden andere Aufgaben zugeteilt, solange die polizeilichen Ermittlungen andauern.«
Bereits im Jahr 2010 lagen der norwegischen Lotteriegesellschaft Norsk Tipping, die auch Sportwetten organisiert, konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei einem Osloer Kiosk vor. Zuvor hatten interne Berichte bereits darauf hingewiesen, dass es bei einigen Annahmestellen regelmäßig zu einem overspill, also ungewöhnlich hohen Umsätzen, komme.
Trotz aller Verdachtsmomente rüstete die Norsk Tipping ausgerechnet den verdächtigen Osloer Kiosk im Januar 2011 weiter auf und stellte dort ein drittes Terminal auf. Wie viel Geld man auf Spielausgänge setzen kann, ist in Norwegen abhängig von der Anzahl der elektronischen Wett-Terminale – maximal 5 000 Kronen, knapp 700 Euro, dürfen pro Spielkarte gesetzt werden. Ohne eine solche spillerkort darf niemand auf Fußballspiele oder Pferderennen wetten – erhalten kann den elektronischen Identitätsbeweis seit einer Gesetzesänderung im Februar 2011 nur, wer über 18 Jahre alt ist, sich mit einer gültigen norwegischen Wohnadresse bei Norsk Spill registriert und eine Bankverbindung angibt, auf die etwaige Gewinne überwiesen werden können.
Der Betreiber des Osloer Kiosks wird von der Polizei allerdings bereits seit dem Jahr 2000 verdächtigt, dass sein Geschäft in dieser Zeit immer wieder von bekannten norwegischen Sportlern besucht worden sei. Auch wenn dies allein kein wirklich überzeugender Beweis ist, rechnen Kripobeamte damit, dass weitere Verdächtige ermittelt und verhaftet werden könnten, auch wenn man offiziell bis November den Fall abgeschlossen haben will. Derzeit werden die gesamten Wettunterlagen des Betriebes auf verdächtige Vorkommnisse überprüft. Norsk Tipping gilt bis dahin trotz Kooperation mit den Behörden als beschuldigte Partei, da Gewinne ausgezahlt wurden, die nicht hätten ausgezahlt werden dürfen, wie der Polizeijurist Ragnvald Brekke erklärt.
Weiterhin sind allerdings die Hintermänner des Wettskandals unbekannt. Im Juni hatten Aufnahmen vom Follo-Spiel den Verdacht geweckt, die osteuropäische Mafia könnte Drahtzieher der Matchmanipulationen gewesen sein. Darauf war ein Mann zu sehen, der sich mit einigen der Kicker nach dem Abpfiff unterhielt und der nach Angaben von Zeugen mit osteuropäischem Akzent gesprochen habe.
Aber auch wenn niemals ermittelt werden sollte, wer die Hintermänner waren, müssen die verdächtigen Spieler und der Betreiber der Osloer Wettannahmestellen mit hohen Strafen rechnen, wenn sie in einem Gerichtsverfahren schuldig gesprochen werden. Auf bis zu zehn Jahre Haft könnten die Urteile lauten, vorgeworfen werden den Männern Beeinflussung des Spielverlaufs beziehungsweise Spielmanipulation sowie Betrug. Werden sie verurteilt, dürfen sie vielleicht außerdem nie wieder in einem Verein kicken. Der Präsident des norwegischen Fußballverbandes, Yngve Hallén, sagte erst kürzlich in einem Interview, dass »international verurteilten Tätern ein lebenslanger Ausschluss droht, ich sehe keinen Grund, das bei uns nicht genau so zu handhaben«. Gleichzeitig gab er allerdings zu, dass dies im derzeitigen Regelwerk gar nicht vorgesehen sei: »Wir waren naiv, das muss ich so sagen, Spielmanipulation kommt in unseren Regeln gar nicht als eigenständiger Punkt vor.« Nun sollen die Statuten angepasst werden.
Den Kioskbetreibern wird außerdem die Manipulation von Spielkarten vorgeworfen. Damit die Kunden höhere Beträge setzen konnten, wurden ihnen auf andere Personen registrierte Karten zugänglich gemacht. Die Kripo vermutet, dass auf diese Weise auch Geld gewaschen worden sein könnte. Der Osloer Mann, in dessen Geschäft die höchsten Einsätze registriert worden waren, steht überdies im Verdacht, Kopf eines Netzwerkes gewesen zu sein, das regelmäßig mit manipulierten Identitätsbeweisen arbeitete und die Ergebnisabsprachen organisierte.
Für den Verein Follo bedeuteten die Schlagzeilen über den Wettbetrug hingegen unverhoffte Mehreinnahmen – die Sponsoren stehen bei dem Club Schlange. Bereits eine Woche nach Bekanntwerden des Betrugsfalls habe das lokale Unternehmen Plateteknikk AS einen sechsstelligen Betrag in Aussicht gestellt, ließ Ole Bjørn Fausa vor einigen Wochen die Zeitung Dagbladet wissen. Dass die Verantwortlichen selbst den norwegischen Fußballverband über den Verdacht auf Spielmanipulation informierten, statt zu schweigen, habe allerdings nicht nur Firmen vor Ort imponiert, sagte der Funktionär. »Und nun befinden wir uns in Verhandlungen mit gleich zwei bekannten nationalen Unternehmen, die uns sponsern wollen.« Finanzielle Unterstützung käme sehr gelegen. Follo braucht viel Geld, denn man möchte endlich aus der zweiten divisjon (vergleichbar der deutschen Regionalliga) in die erste aufsteigen.