Carsharing

Ewig weit die Wüstenei. Eine Welt, befreit von der Last der Menschheit, des Lebens selbst. Der Asphalt knirscht unter seinem Fuß. Er trägt ein hippes Herrenhemd mit ganz viel Ausschnitt, Reste eines Anzugs. Die Reihe der verwitterten Autos blockiert die Landstraße. Von der Einsamkeit überwältigt, fängt er an, seinen trockenen, des Sprechens entwöhnten Tenor an ein unsichtbares Gegenüber zu richten. Weißt du noch, welche Autos du mal haben wolltest? Mit einer Gelenkigkeit, die ihm der ständige Kampf gegen mutierte Wölfe und Inzestkannibalen verliehen hat, macht er sich daran, Auto um Auto mit einem Sprung zu überqueren. Und, hattest du schon alle? Waren es schon genug? Kann man überhaupt genug Autos fahren? Erinnerungsfetzen vernebeln ihm die Sinne. 2050 war es, als anderthalb Milliarden Chinesen Daimler fahren wollten und zwei Drittel der weltweiten Ackerflächen dem Biosprit gewidmet werden mussten. Autos sind toll. Und es gibt so viele davon. Das Elektroauto sollte auch bald kommen, so etwa 2060. Kaufprämien wurden gemeinhin abgelehnt. Ein weiterer Sprung, und schon verliert sich die Erinnerung in seinem verdorrten Verstand. Worauf wartest du also? Auf den richtigen Moment? Halb im Fieberwahn verschießt er Leuchtraketen aus dem Inneren eines Wracks, schreit alte Staubeschimpfungen, simuliert ein Leben, das es nicht mehr gibt. Dein nächstes Auto muss nicht größer sein, kleiner oder schneller. Es muss nur eines sein: anders. Zwei Jahre Hungeraufstände, dann war die Menschheit zur Hölle gefahren. Mit dem Auto. Welcher ist dein nächster? Mobile.de – Deutschlands größter Fahrzeugmarkt. Und so schiebt er weiter Tag um Tag seine Wracks durch die Wüste, ein Corso aus einer Person, lebendes Mahnmal der mobilen Menschheit. Danke, Mobile.de!

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«.