Kevin Kühnert im Gespräch über Steinbrück und die Jusos

»Eine Große Koalition ist undenkbar«

Seit März ist Kevin Kühnert Landesvorsitzender der Berliner Jusos. Der 23jährige Student der Publizistik ist außerdem Mitglied im Landesvorstand der SPD.
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Peer Steinbrück soll der Kanzlerkandidat der SPD werden. Sind Sie erleichtert?
Es war ja vorher klar, dass es aus Sicht der Ju­sos keine gute Antwort auf die K-Frage geben wird. Und jetzt ist es von drei nicht optimalen die schlechteste geworden.
Bei Steinbrück denkt man an Helmut Schmidt, das muss einen Juso belasten, aber bei Steinmeier denkt man an Gerhard Schröder und Hartz IV, wäre das wirklich besser gewesen?
Was die Verbindung zur Agenda-Politik angeht, nehmen die sich alle nicht viel. Sie waren zu jener Zeit alle in politischer Verantwortung.
Hätten Sie sich also Gabriel gewünscht?
Gabriel ist deutlich zu sprunghaft. Er kann an einem Tag brillant sein und am nächsten alles mit dem eigenen Arsch wieder einreißen. Da braucht man nur an seine problematischen Aussagen zur Situation in Hebron und den Palästinensergebieten zu erinnern.
Warum gab es keinen Mitgliederentscheid wie bei den Grünen?
Es gibt in der Breite der SPD hinsichtlich Mitgliederentscheiden bei Personalfragen tatsächlich eine gewisse Zurückhaltung, die ich teile. Ich denke auch nicht, dass das ein Allheilmittel sein kann. Denn zu so einer Abstimmung würde eine gewisse Auswahl gehören. Als Linker in der SPD hätte mir die Auswahl dieses Mal nicht gereicht. Ich will dann auch zwischen unterschiedlichen Konzepten entscheiden können.
Haben die Jusos und die SPD-Linken denn versucht, jemanden ins Rennen zu schicken, der eher für einen linken Kurs steht?
Wir haben versucht, Hannelore Kraft im Gespräch zu halten. Das wäre die deutlich bessere Option gewesen. Ich glaube auch, dass man mit ihr eine Wahl gewinnen kann. Ich hoffe, dass sie 2017 die Kandidatin sein wird. Da fällt die Bundestagswahl mit der in Nordrhein-Westfalen zusammen. Das wäre ein günstiger Zeitpunkt für einen Wechsel in die Bundesebene.
Wollte sie wirklich nicht oder hat die Alte-Männer-Troika sie ausgebremst?
Das kann ich nicht beurteilen, aber ich hatte schon den Eindruck, dass sie tatsächlich in NRW noch etwas erreichen will.
Gab es denn eine gemeinsame Strategie der Jusos in der Frage der Kanzlerkandidatur?
Es gab ja nur diese drei Kandidaten. Da war es strategisch richtig, und das bleibt es auch, vor allem darauf zu drängen, dass bestimmte linke Positionen ins Programm kommen, um die die SPD dann auch unter Steinbrück nicht mehr herumkommt.
Gibt es überhaupt noch andere linke Spitzenpolitiker bei der SPD? Klaus Wowereit galt mal als solcher, jetzt koaliert er in Berlin freiwillig mit der CDU.
Es gibt in der zweiten Reihe einige, die wichtig sind, auch in der inneren Machtarithmetik der SPD, und die durchaus linke Köpfe sind. Ralf Stegner in Schleswig-Holstein etwa, Thorsten Schäfer-Gümbel in Hessen oder der neue Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß, das sind Leute, die ein dezidiert linkes Profil haben und mit denen wir als Jusos eng zusammenarbeiten.
Vorige Woche hat Steinbrück Vorschläge für eine gewisse Kontrolle der Finanzmärkte im Bankensektor vorgestellt. Dabei gilt gerade Steinbrück eher als Deregulierer.
Das SPD-Programm ist ein ganzes Stück fortschrittlicher als die Privatperson Peer Steinbrück. Von daher ist da sicher eine Portion Realismus dabei, wenn er sich an wichtigen Positionen der SPD orientiert. Er hat ja mal gesagt, er könne die Finanzmärkte gar nicht regulieren. Ich kann mir und ihm und uns allen nur wünschen, dass er da inzwischen tatsächlich einsichtig ist, dass das möglich ist und dass man das machen muss.
Ist das denn der richtige Weg, auf die Wirtschaftskrise zu antworten? Oder wäre es für die SPD nicht dringender, sich zunächst zu bestimmten sozialen Themen zu positionieren, wie etwa bei der Rente?
Um die Entscheidung in der Rentenfrage kommen wir nicht herum. Die Personalentscheidung für Steinbrück darf jetzt keine Vorentscheidung in der Rentenfrage sein. Wir werden für ein Rentenniveau von mindestens 51 Prozent kämpfen und werden da auch nicht locker lassen.
Steinbrück steht nicht gerade für Rot-Grün. Wird unter Jusos noch eine dritte Möglichkeit neben Rot-Grün und Schwarz-Rot diskutiert?
Eine Große Koalition ist für uns absolut undenkbar. Die Erfahrung, dass eine solche Konstella­tion niemanden weiterbringt, müsste auch der Letzte in der SPD inzwischen gemacht haben. Wir meinen das ehrlich, wenn wir für Rot-Grün streiten, das kommt trotz aller Kritik dem am nächsten, was wir uns wünschen. Ansonsten spielt die Frage ja auf Dreierbündnisse an. Ich habe lange in der SPD für rot-rot-grüne Bündnisse gestritten. Doch so, wie die Linkspartei sich in den vergangenen ein, zwei Jahren aufgestellt hat, kann ich mir eine Koalition mit ihr gerade kaum vorstellen. Die würde vermutlich nach zwei Monaten platzen. Das Problem sind dabei weniger die sozialpolitischen Fragen als vielmehr die gesamte Performance der »Linken«, die interne Kakophonie, der unselige Umgang mit den nicht unberechtigten Antisemitismusvorwürfen. Ich glaube, das würde nicht gut gehen.
Also die Ampel.
Diese Option rückt mit dem Kandidaten Steinbrück natürlich näher. Er wäre da sicher nicht abgeneigt. Um das zu verhindern, muss man einen Wahlkampf machen, der darauf abzielt, dass die FDP nicht im nächsten Bundestag vertreten ist. Dafür werden wir uns einsetzen.