E-Bikes sind keine Fahrräder

Der Lüge keine Chance!

Das Elektrofahrrad ist das Gefährt der smarten Aufschneider. Nichts geht über die Freundschaft zu einem ehrlichen Fahrrad.

Nein, ich habe nichts gegen Fortschritt – ich bin sogar ein großer Fan davon. Und ich mag Strom. Ich mag die Kaffeemaschinen, das Kino, die Computer, ja eigentlich fast alles, was sich wie von Geisterhand bewegt, erwärmt, beleuchtet, rechnet und dennoch von Menschenhand geschaffen wurde. Und ich mag den Fortschritt auch am Fahrrad, nicht nur den konischen Gabelschaft (bringt mehr Steifigkeit), sondern auch den Torxschraubenkopf (ein Schrauben-Mitnahmeprofil in Vielrundform). Ich bringe sogar Verständnis für die Scheibenbremse am Crossrad auf. Also, kurz gesagt, halte ich mich nicht für verbohrt.
Und ich mag das Radfahren. Mehr noch, eigentlich könnte man fast von einer Freundschaft sprechen. Also spräche nichts dagegen, den Strom und das Rad zu verschmelzen und daraus etwas Neues, Besseres zu erschaffen. So etwas nennt sich dann E-Bike. Aber leider ist das nicht neu, sondern ein Mofa mit Strom. Nur darf das Mofa mit Strom nicht E-Mofa heißen, obwohl es naheliegend wäre, ist das Silbenwort Mofa doch abgeleitet von »Motor-Fahrrad«. Denn das Mofa hat ein Imageproblem, während das Fahrrad im Trend liegt: Es ist umweltschonend, cool, trendy und macht nicht dick. So etwas lieben alle, und jetzt neu als Fahrrad 2.0 erst recht: von den Taz-Ökos über CSU-Bürgermeister und Werbefuzzis bis zu Handelsblatt-Redakteuren.

Das Mofa hingegen ist das Gefährt der faulen, bildungsfernen Unterschichtler. Derer, die mit ihm Bier holen fahren und die Discounter-Tüte an den Lenker hängen. Ob der Motor nun mit Strom oder Zweitaktgemisch angetrieben wird, E-Bike oder Mofa, ist also keine Nebensächlichkeit, sondern wird zum Unterschied ums Ganze. Zwischen dick und dünn, faul und fit, zwischen smart und stumpf. Sozusagen der Unterschied zwischen treten und getreten werden.
Das E-Bike hat den notorischen Aufschneidern und von Abstiegsangst Geplagten aber noch mehr zu bieten. Mit ihrem als Fahrrad getarnten Mofa können sie sich an jeder Ampel als sport­liche Leistungsträger fühlen. »Bei jedem neuen Start ein kleines Glücksgefühl! … Schon hat man aus dem Stand den Pulk aus Studenten, Ministerialbeamten und Touristen hinter sich gelassen«, heißt das etwa in der Zeit. Man bekomme sogar »eine Art Rückenwind und hat dennoch das Gefühl, richtig sportlich zu sein«, weiß Schauspieler Peter Lohmeyer (»Das Wunder von Bern«) zu berichten. Betrug als Programm. Das E-Bike verspricht schon auf dem Weg zur Arbeit, das Werkzeug zu sein, um seine Mitmenschen in pubertären Ampelrennen zu demütigen. Und mit einem so gestärkten Ego ist man gleich auf der geistigen Betriebstemperatur, um im Büroalltag erfolgreich die Kollegen über den Tisch zu ziehen, zu belügen und zu betrügen und sich im Stillen über ihre mangelnde »Smartness« lustig zu machen.

Daher ist das E-Bike kein Fahrrad, sondern nur das Mofa der Blender. Das Fahrrad hingegen kennt kein oben und unten. Es ist ehrlich. Nicht nur als »Beweis dafür, dass auch in unserer wissenschaftlichen und hoch technisierten Welt der menschliche Körper immer noch ein Wunder ist« (Lance Armstrong), ehrlich ist auch der geniale Minimalismus seiner Konstruktion. Nur durch das geschickte Ausnutzen physikalischer Gesetze wird es möglich, aus eigener Kraft unvorstellbare Distanzen in kurzer Zeit zurückzulegen. Geht es kaputt, benötigt man keine Rocket-Science-Fähigkeiten, um den Fehler zu finden, meist kann man ihn sogar selbst beheben.
Und es ist auch nicht das Gefährt der immer gutgelaunten Überflieger – denn auf dem Rad gibt es auch die schlechten Tage, die, an denen das Gegenüber einem den Stress ansieht, wenn man verschwitzt, stinkend und verspätet zu einem Termin kommt, weil der Gegenwind den Zeitplan ruiniert hat. Bekommt man darauf als Antwort die Vorteile des E-Bike aufgezählt, dann weiß man mit Sicherheit, dass es sowieso nicht schlimm war, zu spät dran zu sein.
Aber häufiger als die schlechten Tage sind die guten. Das sind die Tage mit den guten Beinen, an denen das Radfahren einfach Spaß macht, der Kopf eine Auszeit nehmen kann und man sich einfach selbst genug ist.