Der Konflikt im Libanon

Die nächste Generation

Nach einem Attentat droht der innenpolitische Konflikt im Libanon zu eskalieren.

Auf den Tod von Geheimdienstchefs reagiert man, insbesondere in der arabischen Welt, meist eher mit Schadenfreude. Am Begräbnis von Wissam al-Hassan in Beirut am Sonntag nahmen hingegen Tausende teil, und viele von ihnen beteiligten sich anschließend an Protesten mit Straßenbarrikaden. Auch in anderen libanesischen Städten kam es zu Demonstrationen.
Hassan, Leiter der »Informationsabteilung« der Forces de sécurité intérieure, und sieben weitere Menschen wurden am Freitag vergangener Woche von einer Autobombe getötet. Seine Popularität verdankte Hassan seinen konsequenten Ermittlungen gegen die syrischen Urheber terroristischer Anschläge und ihre Verbündeten im ­Libanon. Auch hochrangige Libanesen müssen nun eine Strafverfolgung fürchten, so sitzt der ehemalige Informationsminister Michel Samaha in Untersuchungshaft.
Über das Motiv des Attentats auf Hassan muss daher nicht lange spekuliert werden. Die Empörung der libanesischen Demonstrierenden und vieler Politiker richtet sich nun formal gegen Ministerpräsident Najib Mikati, dessen Rücktritt gefordert wurde, letztlich aber gegen die Hizbollah, die Mikatis Regierung dominiert. Die »Partei Gottes« ist der einflussreichste und am besten bewaffnete Verbündete Assads im Libanon.
Seit der Nacht zum Montag kommt es in mehreren libanesischen Städten immer wieder zu Feuergefechten, die Angst vor einem Bürgerkrieg wächst. Der Konflikt im Nachbarland Syrien hat die Eskalation ausgelöst. Zu den Waffen wird jedoch deshalb so bereitwillig gegriffen, weil sich seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1990 die Machtverhältnisse nicht grundlegend geändert haben. Noch immer regieren die »großen Familien«, die Hariris, Jumblatts, Gemayels und andere, mit Hilfe eines konfessionalisierten Wahlrechts, das Parteien ohne Bindung an eine religiöse Gruppe faktisch von der Teilhabe an der Macht ausschließt. Als modernste politische Organisation muss ausgerechnet die Hizbollah gelten, die keinem mächtigen Clan gehört.
Im Jahr 2005 gelang es einer Protestbewegung, die syrische Besatzungsmacht zum Rückzug zu zwingen und so die Voraussetzungen für die Demokratisierung zu schaffen. Doch beteiligten sich an der Bewegung auch sunnitische und christliche Parteien, die vor allem ihre innenpolitischen Gegner schwächen wollten. So unterblieb der zweite notwendige Schritt, die Entmachtung der konfessionellen Oligarchen. Nur durch eine Säkularisierung können auch die Voraussetzungen für die Entmachtung der Hizbollah geschaffen werden, die ihre Massenbasis vor allem der Tatsache verdankt, dass sie die Lage der Schiiten, der traditionell am schlechtesten repräsentierten Bevölkerungsgruppe, verbessert hat. Die Gelegenheit wäre günstig, denn die Hizbollah hat wegen ihrer Unterstützung des syrischen Regimes erheblich an Popularität verloren und wird, wenn Assad stürzt, auch Probleme mit dem Nachschub an Waffen und Munition bekommen.
Nicht religiöse Solidarität, sondern politische Parteinahme bestimmt den Frontverlauf, so finden sich Christen unter den Gegnern wie auch den Verbündeten Assads. Doch über den weiteren Verlauf des Konflikts entscheiden nun jene konfessionellen Oligarchen, deren Väter den letzten Bürgerkrieg zu verantworten haben.