»Ein zurückhaltendes Ja«

Das hatte sich eine Berliner Gerichtsvollzieherin sicher anders vorgestellt. Als sie am Montag die Zwangsräumung einer Wohnung in Kreuzberg vollstrecken wollte, in der eine fünfköpfige Familie lebt, versperrten ihr etwa 150 Menschen den Zugang zu dem Haus. Sie zog erfolglos wieder ab. Sara Walther von der Initiative »Zwangsräumung verhindern« hat mit der Jungle World gesprochen.

Warum ist die Familie von der Zwangsräumung bedroht?
Es handelt sich um langjährige Mieter in dem Haus. Nachdem der jetzige Eigentümer die Immobilie gekauft hatte, hat er versucht, alle Mieter vor die Tür zu setzen. Als das nicht klappte, hat er Sanierungskosten auf die Mieten umgelegt. Die Familie hatte jedoch noch einen Mietvertrag mit dem alten Eigentümer, in dem sanierungsbedingte Mieterhöhungen ausgeschlossen waren. Die Sache ging vor Gericht, die alte Klausel wurde für hinfällig erklärt. Damit standen 3 500 Euro Mietschulden aus, die die Familie zwar beglichen hat, aber nicht fristgerecht. Deshalb sprach der Vermieter eine fristlose Kündigung aus.
Sind solche Fälle in Berlin häufiger zu beobachten?
Es gibt keine Zahlen, da das Gerichtsvollzugswesen privatisiert ist. Aber Schätzungen zufolge finden in Berlin bis zu 3 000 Zwangsräumungen im Jahr statt. In der Regel trifft es ALG-II-Empfänger, wenn das Jobcenter beispielsweise eine Mieterhöhung nicht übernimmt oder sich jemand weigert, aus seiner Umgebung wegzuziehen. Es handelt sich um ein verbreitetes Phänomen. Daraus erwächst aber auch die Solidarität, weil mittlerweile viele Menschen Betroffene kennen.
Warum ist es gelungen, die Zwangsräumung zu verhindern?
In dem Haus befindet sich ein Stadtteilbüro, über das auch der Kontakt zu Mietaktivisten entstanden ist. Zudem ist die Familie in der Nachbarschaft gut bekannt. An dem Morgen hat der Stadtteilladen zu generellen Beratungszwecken ein Kiezfrühstück veranstaltet. Die Nachricht von der drohenden Zwangsräumung hat sich so schnell verbreitet und im Überschwang haben die Menschen gesagt: Das ist ungerecht, das lassen wir uns nicht bieten.
Können Menschen, die von der Zwangsräumung bedroht sind, bei Ihnen direkt um Hilfe bitten?
Ich antworte mal mit einem zurückhaltenden Ja. Wir bieten selbstverständlich keine Dienstleistung an, wir sind ja keine Servieeinrichtung. Aber alle sind eingeladen, beim Kotti-Camp vorbeizuschauen oder die Website zu besuchen. Dort sind regelmäßige Treffen angekündigt, auf denen wir gemeinsam nach Lösungen suchen.