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An einen zeitigen Arbeitsbeginn ist nicht zu denken, der Redakteur mit dem Schlüssel ist noch nicht da. Wir stehen vor verschlossenen Türen, es weht ein frischer Wind. Endlich kommt der Schlüsselträger dahergeschlendert und begrüßt erst einmal die Kolleginnen und Kollegen in aller Ruhe. Dann dürfen wir endlich eintreten in die kalte Stube. Der Geruch von Gnocchi mit Walnusspesto und Spargelsuppe hängt noch in der Luft, alte Ausgaben der Zeitung liegen auf Tischen und in Zeitungsständern. Es geht hoch in die Redaktionsräume im ersten Stock, einige verziehen sich gleich zum Rauchen in die Bibliothek, in der es von Kinderbüchern bis zu linken Bildungsromanen einiges zu lesen und kaufen gibt. Andere bauen auf dem Konferenztisch schon mal ihre Laptops auf. Dann kann endlich begonnen werden mit dem linken, unabhängigen Journalismusgeschäft. Nein, natürlich geht es hier nicht um die Redaktionsräume ihrer Lieblingszeitung Jungle World, das haben Sie als aufmerksame Leserinnen und Leser natürlich gleich gecheckt. Ohne Schlüssel sind hier nur die armen Praktikantinnen und Praktikanten, so gut wird bei uns leider selten gekocht und bis zu einer Bibliothek haben wir es auch noch nicht geschafft. Statt Laptops stehen in den Räumen der Jungle World dicke Computerkästen rum und seit Neuestem herrschen, wie an dieser Stelle bereits zu lesen war, dort strenge Rauchrichtlinien. Ein Teil der Auslandsredaktion hat sich einfach ein paar Wochen im Ausland rumgetrieben – wo sonst? – und unter anderem angesehen, wie andere linke, unabhängige Wochenzeitungen denn so arbeiten. Ein eigenes Restaurant und einen Buchladen, wie die chilenische Zeitung El Ciudadano aus Santiago, betreibt die Jungle World leider nicht. Dafür schafft sie es, nicht nur alle zwei Wochen zu erscheinen. Die beiden Redaktionen sind fast gleich groß und die Arbeitsbedingungen sind ähnlich, wenn nicht ähnlich prekär. Links sind beide irgendwie, die einen eher antizionistisch, die anderen israelsolidarisch. Da wurde erstmal eine »Wer braucht schon Freunde?«-Tasche als Gastgeschenk überreicht. Ansonsten sind einige Artikel von El Ciudadano durchaus zu schätzen und der Besuch war interessant. Zurück von der Reise in den gut geheizten Berliner Redaktionsräumen war der Empfang freundlich. Großartiges sei nicht passiert, die Griechenland-Reise, das letzte gemeinsame Erlebnis, schon wieder in weite Ferne gerückt. Also alles beim Alten, als sei man nie weg gewesen. Nur auf dem Rückweg von der Mittagspause bot sich ein seltsames Bild: Eine verbannte sogenannte Gastraucherin saß vor der verschlossenen Redaktionstür im kalten Treppenhaus. Hier also müssen sie nun darben.