Smartspeak

Muss man sich darüber aufregen, wenn der Atomgigant RWE sich jetzt auch in unsere Typographie gaunert? Natürlich muss man! Vor allem, wenn es so dilettantisch geschieht wie in der RWE-Kampagne »VoRWEg gehen«. Deshalb wird nämlich der Strompreis auf Fantasy-Niveau gehoben: damit man die Agenturen für teuer Geld einen Claim entwickeln lassen kann, der so hirnverbrannt ist, dass sich ein Schülersprecher, der ein Motto für den Elftklässlerball braucht, daneben wie Oscar Wilde ausnimmt. Wenn überhaupt, heißt der Ausdruck »vorneweg gehen«, jedenfalls in der Bedeutung, die die milchschaumgeblähten Kasperköpfe von der Agentur gemeint haben: als Vorhut der Allgemeinheit vorausstiefeln. »Vorweg« gibt es im Deutschen doch nur in dem Begriff »vorwegnehmen«, was letztlich das Gegenteil bedeutet: eine Einschränkung im Hinblick auf das Kommende. Aber »vorweg« ist halt leider das einzige Wort im Deutschen, das die Buchstabenfolge R, W, E enthält, und wer es für fabulös originell hält, den Namen eines Betriebs in seinem Claim vorkommen zu lassen, der hat auch kein Problem, das Wort zu erfinden, das diesen Anspruch überhaupt erst einlöst. Doch weil die Sprache immer ein bisschen gewitzter ist als ihre Vergewaltiger, jubelt sie ihnen heimlich die Wahrheit unter: Unter »VoRWEg gehen« versteht RWE wirklich nichts anderes als ein perfides Stromsparmodell, bei dem die oberen Zehntausend schon jetzt vormachen dürfen, wie man mit Hilfe von App und »Smarthome« weniger Strom fürs gleiche Geld verbraucht – und sich also mit einem Strompreis arrangieren lernen, der für weniger smarte Verbraucher eine Zukunft bedeutet, die so finster ist wie nur die Schädel jener Texter, die das verwaltete Elend jetzt als trendige Energiewende verkaufen.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«.