Steile Abfahrt

»Zurückgefahren vom Held zum Nichts«, kommentierte der Daily Mirror das am Montag verkündete Urteil des Radsport-Weltverbands Union Cycliste International (UCI). Lance Armstrong wurden alle sieben Siege bei der Tour de France aberkannt. Der Verband, der übrigens wegen eigener Verstrickungen in den Dopingskandal in der Kritik steht, bestätigte damit einen 200 Seiten umfassenden Bericht der US-amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada. Dort wird ausführlich das »System Armstrong« (Spiegel) geschildert, das die Basler Zeitung als »Einschüchterung, Nötigung, Missbrauch von Testosteron und Eigenblutdoping« skizziert.
Besonders aufschlussreich ist Armstrongs ressourcenschonende Personalpolitik. Eine Physiotherapeutin seines Teams musste sich nebenbei auch noch als Kurierin für Dopingsubstanzen und Visagistin verdingen – bei einer ärztlichen Kontrolle wurden Armstrongs Spritzeneinstiche einfach überschminkt. »Ein ganzes Team dopte auf höchstem Niveau«, stellt Tuttosport fest, und die LA Times zeigt sich beeindruckt davon, wie »heimliche Lieferungen entlang von Bergstraßen orchestriert« wurden. Der Guardian würdigt zwar nicht den Teamleiter oder den Radfahrer Lance Armstrong, aber zumindest den Schauspieler: »Über zehn Jahre lang so hartnäckig auf so hohem Niveau zu lügen – live auf Pressekonferenzen, im Fernsehen, vor Gericht, in Büchern – ist wirklich eine Meisterleistung.« Die deutsche Bild-Zeitung liefert zum Urteil gegen Armstrong hingegen Geschmackloses. Unter der Schlagzeile »Lance Armstrong ausgelöscht … als hätte es ihn nie gegeben« wird auf bild.de eine Fotoserie von Siegerehrungen bei der Tour de France präsentiert. Unter dem Motto »Bild hat Lance Armstrong aus dem Foto gelöscht« wird eine Reihe von Bildern gezeigt, auf denen nach einem Digital Cutting nur noch Armstrongs Silhouette zu sehen ist. Und diese Armstrong-Silhouette wird stets flankiert von deutschen Radfahrern.