Ist ein Fan von E-Bikes

Was du auch machst, mach es nicht selbst!

Ja zu Elektrofahrrädern! Wer lieber selber strampelt, hat wohl ein Rad ab.
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Man muss kein Kommunist sein, um zu wissen, was man an einem Elektrofahrrad hat, aber wäre man einer, dann wüsste man es sicher: »Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung«, hat Lenin gesagt. Und dass technologischer Fortschritt die Bedingung für Emanzipation und gesellschaftlichen Fortschritt ist, das zumindest ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Um das festzustellen, muss man nur einmal über einen Mittelaltermarkt in Hintertupfingen schlendern.
Nun gibt es Erfindungen, die die Menschheit relativ wenig vorangebracht haben, wie etwa die Erfindung des Faxgeräts, des Fußsprudelbads und des Yps-Flugsaurier-Skeletts, das nachts geheimnisvoll leuchtet, und andere, die elementar waren für die menschliche Entwicklung, wie Nutella, der elektrische Stabmixer und das Yps-Agenten-Radio mit eingebauter Pistole. Unbezweifelbar aber nehmen einige wenige Erfindungen eine ganz besondere Stellung in der Zivilisationsgeschichte ein, und die Erfindung des Rads ist eine davon. Eine weitere Erfindung ähnlichen Kalibers ist die des Motors. Ob per Dampf oder Benzin, ohne den Motor wäre das Industriezeitalter nie angebrochen. Was also liegt näher, als Rad und Motor zusammenzubringen? Nicht umsonst darf das Automobil als eine der wichtigsten Erfindungen gelten.

Wieso sollte man hinter dieser genialen Idee, das Rad zu motorisieren, zurückfallen? Sicher, es ist auch eine Stilfrage. Elektrofahrräder galten lange als Seniorenvehikel, als Vorstufe zum Rollator. Aber diese Zeiten sind vorbei. Nun gibt es schicke, hippe, coole Rennräder und Mountainbikes und Retroräder und so fort mit Elektrohilfsmotor. Von außen ist der Motor kaum zu sehen und auch der Akku ist dezent im Rahmen integriert. So kann man, wenn es bergab geht, fröhlich in die Pedalen treten und sich einbilden, etwas für seine Gesundheit zu tun, und wenn es bergauf geht, lässt man sich einfach kutschieren. Das ist ideal! Das ist vor allem deshalb ideal, weil es den einzigen Vorteil, den das Fahrrad gegenüber einem vernünftigen Motorroller hat, mit den vielen Vorteilen des Rollers vereint.
Als Vespa-Fahrer kennt man das: Man winkt draußen vor dem Redaktionsgebäude dem Kollegen, der gerade auf sein Rad steigt, lässig zum Abschied zu, und braust ihm mit 50 Sachen davon. Im Rückspiegel sieht man den armen Tropf immer kleiner werden, bis man das Tröpfchen, den Punkt am Horizont gar nicht mehr erkennt. Doch schon an der zweiten roten Ampel klingelt es plötzlich auf dem Radweg nebenan und der Kollege fährt fröhlich grüßend an einem vorbei und entschwindet nun vorne am Horizont. Der Vorteil des Fahrradfahrens ist nämlich der, dass für Radfahrer keine Gesetze gelten und sie einfach über rote Ampeln fahren dürfen. Zumindest sind offenbar alle Menschen hundertprozentig davon überzeugt, dass es so sei, und daher wird es auch genau so gehandhabt. Das ist in Ho-Chi-Minh-Stadt nicht anders als in Berlin.
Als Rollerfahrer jedoch plagt einen ständig die spießbürgerliche Angst, anhand des Nummernschildes bei der kleinsten Verkehrssünde identifiziert und schwer bestraft zu werden. Dasselbe gilt auch für den Heimweg aus der Kneipe: Besoffen Auto- oder Rollerfahren, das ist weder vernünftig noch erlaubt. Radfahrer hingegen werden nicht wegen zwei, drei Bieren angehalten und mit der Todesstrafe oder Schlimmerem belegt. Und wie schön wäre es, gerade nachts, angeschickert auf dem Heimweg, nicht noch mühsam übers dunkle Kopfsteinpflaster strampeln zu müssen. Von weitem kann kein Polizist erkennen, ob man ein rein fußbetriebenes oder ein teils motorbetriebenes Gefährt unter dem Hintern hat. Ein Elektrofahrrad – »das ist Elektrizität plus Sowjetmacht«, könnte man also sagen, wenn man »Sowjetmacht« mal als Metapher für Staatskritik nähme, was zwar, zugegeben, ziemlich unhistorisch wäre, aber dem Artikel einen schönen Rahmen gäbe.

Man hat ausgerechnet, dass durchschnittliche Menschen mit einem schnellen Elektrofahrrad ungefähr die Fahrleistung von unmotorisierten Radsportathleten erreichen. Will ich Athlet werden? Nein. Will ich schnell sein? Ja. Na also! Ab und zu mal ein wenig selber treten, um fit zu bleiben, warum nicht? Aber das kann man ja auf dem Elektrofahrrad auch. Wozu auf eine zusätzlich Möglichkeit, den Motor, verzichten? Wer freiwillig mehr Körperenergie aufbringt als notwendig, der muss dafür sehr gute Gründe haben. Der wichtigste ist zumeist: Gesundheit. Aber hey, wenn Radfahren so gesund wäre, würden dann nicht die Krankenkassen das Rad zahlen? Tun sie aber nicht, den Rollator zahlen sie – bestenfalls. Gesund ist die Teilnahme am Straßenverkehr nämlich grundsätzlich nicht.