Compliance

Manchmal antizipiert die Werbung sogar Kritik – allerdings nur, um sie zu vernichten. Schlimmer noch als RWE, die mit ihrem Spruch »VoRWEg gehen« nur die Sprache schänden, möchte uns der Konkurrent Eon gleich am Abend besuchen und explodiert direkt in unsere Privatsphäre hinein. Der jüngste Werbespot zeigt eine urban verlebte und ebenso Neon- wie Eon-kompatible Loha-Maus namens »Frau Weiß«, die von einem anthropomorphen Eon-Avatar scheint’s in ihrer Wohnung überrumpelt wird. Mit einer untergehenden Sonne im Rücken flötet sie allerlei halb­irres Szenesprech in die Kamera: »Sag’ mal, Eon, gibt’s ein’klich so was wie ’nen Akku für Windenergie?« Der Verbraucher, unschuldig, aber nicht doof (»Frau Weiß«, also Wissen und Reinheit, schon klar!), macht sich, vor dem Hintergrund des Untergangs (Fukushima!), so seine Gedanken über den nur bedingt willkommenen Besucher. Klar, Eon ist ein guter Kumpel, mit dem man auf dem Balkon hocken und verkochte Spaghetti schlabbern kann – leider hat er aber auch einen ziemlich ekligen Beruf. Obwohl er privat natürlich total nett ist!
Alles an diesem Bild ist falsch. In Wahrheit ist Eon natürlich kein Freund mit einem blöden Job, sondern ein brutaler Einbrecher, der die Haustür eintritt, alle Sicherungen rausdreht, mit Nachtsichtgerät und Lasersucher die Wohnung nach Schätzen durchstöbert, die Fensterscheiben demoliert und dann jeden Monat eine noch ­dickere Rechnung schreibt, weil die mangelnde Fensterisolierung nun mal leider die Ökobilanz der Wohnung nach unten zieht. In diesen Spots wird der Zuschauer in die Eon-Perspektive versetzt und Kritik als das Genöle von Wohlstandsbürgern abgetan.
Widerlicheres war selten.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.