Paywalls, oder wie sich Verlage selbst schädigen

Break down the Paywall!

Mit der Einführung von Bezahlschranken graben die Verlage sich selbst das Wasser ab. Dass sie dabei auch noch schlau tun, hat etwas Tragikomisches.

»Langweilig«, könnte man sagen. Langweilig, dass seit einigen Wochen wieder mal die Digitale-­Bezahlschranken-Sau durchs virtuelle Dorf getrieben wird. Wie schon vor zehn, fünf und zwei Jahren steht die Medieninhalterevolution im Deutschen Print- und Zeitungsmarkt wieder mal unmittelbar bevor. Nicht nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung kündigt eine sogenannte Paywall an, auch der Springer-Verlag mit seinem vermeintlichen Flaggschiff Die Welt soll hinter einer Bezahlschranke verschwinden und nur noch den Leserinnen und Lesern vorbehalten sein, die sich auch für die digitalen Inhalte Euros aus der Tasche locken lassen.
Mit Spannung wird nun darauf gewartet, dass einer dieser Verlage tatsächlich seine Inhalte aus dem frei zugänglichen Netz entfernt. Doch warum die Aufregung? Bislang sind eher Spartenblätter wie das Wall Street Journal, auch in Deutschland, hinter diese Bezahlschranke gegangen und die Westberliner Rent­nerzeitung Berliner Morgenpost erscheint seit einigen Jahren so.
Doch warum wollen nun so viele, häufig eher konservative Blätter ihre Inhalte nur gegen Bezahlung im Netz veröffentlichen? Sicher, weil es aus ihrer Sicht die einfachste Möglichkeit ist, sich Teile des Inhalts zu refinanzieren. Zuverlässige Zahlen liefert niemand. Natürlich gibt es auch die Mentalität bei Zeitungsmachern, dass die »Internet­schnorrer« doch bitte endlich mal zahlen sollen. Noch dreht sich die Debatte im Kreis. Wenn ich meine Inhalte hinter einer Mauer verberge, sinkt die Zahl der Leser drastisch. Ein einfacher Dreisatz würde klären: Rechnet es sich, die bisherigen Werbeeinahmen zu verlieren, oder nicht?

Die Nutzer sind seit Jahren gewohnt, für Nachrichteninhalte nichts (außer ihren Onlinekosten) zu bezahlen. Nur so lässt sich auch der jahrelange Kampf der großen Verlage gegen Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Sender verstehen, denn ein gutes redaktionelles Programm auch im Netz schmälert den Druck auf die Konsumenten, für Inhalte noch mehr zu zahlen. Der Harvard-Professor Clayton Christensen hat unlängst viele schlaue Sachen zu dieser Thematik gesagt und der Branchendienst Meedia hat sie dankenswerterweise übersetzt. Zum Beispiel: »Medienmanager sollten sich fragen, ob ihre Organisation so einen herausragenden Job macht, die Konsumenten-Bedürfnisse zu befriedigen, dass Konsumenten für diese Inhalte zahlen würden. Dies gilt im Besonderen, wenn man sich in einem Umfeld bewegt, in dem andere Organisationen sehr ähnliche Inhalte gratis anbieten. Hinzu kommt, dass man nicht den Fehler machen sollte zu glauben, dass man für Inhalte Geld verlangen kann, nur weil es etwas kostet, sie zu produzieren.«
Es riecht also nach Nebelkerzen, wenn jetzt alle in Richtung Paywall streben und nicht über wirklich neue Erlösmodelle nachgedacht wird. Die Qualität des Onlinejournalismus in Deutschland liegt auch im zweiten Jahrzehnt des Internets immer noch weit unter der in anderen Ländern. Manche Experten sagen sogar, er sei hundsmiserabel. Nachrichteninhalte sind nun mal ein sehr schnell verwelkendes Gut. Niemand ist bereit, für schlecht kopierte Tickermeldungen zu bezahlen, wenn man diese an jeder Ecke auch kostenlos bekommt.
Niemand bestreitet, dass für gute Inhalte bezahlt werden sollte, ob nun durch Webefinanzierung oder auf anderen Wegen. Fest steht aber: Wenn die AOL-isierung der Medienlandschaft tatsächlich dazu führen sollte, dass ein Großteil der Netznachrichten nur noch gegen Extragebühr erreichbar sind, kann man von einem Schaden für die vierte Gewalt als demokratische Instanz sprechen. Aber so weit ist es noch nicht. Und vielleicht wäre es auch eine gute Entwicklung für Bürgerjournalismus, Blogs und die Meinungsvielfalt, wenn als Folge der Paywalls mehr kleinere und dezentrale Informationsportale entstehen.

Erfolgversprechender scheint da eher die Ausdifferenzierung der Einnahmestränge der Verlage. Hin zu »Wegweisern« oder »Leuchttürmen«, die den Nutzer an sich binden und über Zusatzprogramme und kluge Zusammenstellungen von Themen-Specials weitere Einnahmen generieren. Online first, wie es der englische Guardian propagiert, weist in diese Richtung. Verlage, die sich hinter Mauern verschanzen, um damit auf wegbrechende Printeinnahmen zu reagieren, haben etwas Tragikomisches. Sie vergraulen die flexiblen jungen Leser und richten sich in ihrer Nische ein. Fast möchte man ihnen zurufen: »Schließt doch eure Angebote, ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.«

Der Autor ist Mitgründer des Vereins Digitale Gesellschaft e. V. und Geschäftsführer der Agentur Newthinking Communications GmbH.