Zahlt gerne für Inhalt im Netz

Inhalt statt Content!

Endlich trauen sich Medien in Deutschland, für ihre Online-Angebote Geld zu verlangen. Daran führt kein Weg vorbei.

»Content, wir brauchen Content!« Dass dieser Satz regelmäßig in Chefetagen oder an Freiberuflerschreibtischen ausgesprochen wird, ohne dass alle Anwesenden rot vor Scham werden und im Erdboden verschwinden, sagt bereits alles über den Zustand des Internet: Es ist leer. Inhalt muss her. Egal welcher Inhalt, Hauptsache Inhalt. »Content-Anbieter« gilt als seriöse Berufsbezeichnung. Eine Firma namens »Contentworld« wirbt damit, »der Content-Marktplatz zum Kaufen und Verkaufen professioneller Texte« zu sein. Texte worüber? Egal.

Content ist bloßes Material zum Stopfen und Füllen, das Gegenteil seiner wörtlichen Bedeutung: Content ist Inhaltslosigkeit. Heißbegehrt zwar, um die Flut der Websites zu rechtfertigen, aber heißbegehrter Schwachsinn in der Regel, zuweilen auch ganz und gar sinnfrei. Content ist daher auch das Gegenteil von Journalismus. Der ist nämlich keine Textproduktion um der Textproduktion willen, nicht Erzeugung von Content, sondern von Inhalten. Informationen, Nachrichten, schön geschriebene Reportagen, interessante Analysen, überraschende Meinungen – das, was da so durchs Internet schwappt, das, was wir morgens auf unserem Smartphone, Tablet oder Bildschirm lesen oder uns anschauen, das hat jemand produziert. Und zwar nicht irgendjemand. Fast alles, was wir im Internet an politischen und kulturellen Nachrichten und Hintergrundinformationen lesen können, haben Journalisten geschrieben oder professionelle Autoren. Das tun sie, weil es ihr Beruf ist, weil sie damit Geld verdienen. Zwei Drittel aller Journalisten in Deutschland werden von Printmedien bezahlt. Das heißt, um es ganz simpel zu sagen: Das, was wir im Internet an Inhalt finden, was nicht bloßer Content ist, das haben zu einem großen Teil Journalisten, die für Printmedien arbeiten, da hineingetan. Und zwar bisher fast völlig umsonst. Denn kaum eine Zeitung oder Rundfunkanstalt schreibt mit ihrem Online-Angebot schwarze Zahlen, selbst von den ganz Großen sind es die wenigsten, vermutlich sogar nur Spiegel und Bild.
Für Informationen, für Analysen, für Journalismus bezahlen? Wie oldschool! Das gilt als unsexy. Anscheinend haben viele glatt vergessen: Früher, vor dem Internetzeitalter, musste man eine Zeitung kaufen. Am Kiosk oder per Abonnement. Da hat sich keiner beschwert. Jetzt abonnieren immer weniger Menschen eine Zeitung, sondern lesen alles online. Gratis. Wenn sie dann noch ab Januar 17,98 Euro Rundfunkbeitrag pro Haushalt zahlen sollen, damit kritischer Journalismus, wie er in den ARD-Magazinen stattfindet, und seriöse Nachrichtensendungen finanziert werden können, nennen sie das Abzocke. Die kostenlose Tagesschau-App haben sie aber alle auf ihrem Smartphone oder Tablet. Und über Spiegel Online oder Welt Online halten sich dieselben Menschen über die Nachrichtenlage auf dem Laufenden.

Wenn aber immer weniger Menschen Printprodukte kaufen, wird es immer weniger Printmedien geben. Und das bedeutet, dass es immer weniger Journalismus geben wird, auch online, und stattdessen immer mehr Content-Müll. Es sei denn, Journalismus kann sich auch online finanzieren. Das haben viele Zeitungen seit nun schon über zehn Jahren ausprobiert. Vor allem mit Werbung wollten sie Geld verdienen. Das hat nicht funktioniert und nur zu absurder Klick-Schinderei geführt, zu überflüssigen Bildstrecken, Klickspielen, suchmaschinengenerierten Schlagzeilen, die das Niveau der Medien kontinuierlich zu senken drohten.
Es ist daher unumgänglich, dass Medien, die das Internet mit journalistischem, das heißt mit redaktionell verantwortetem und geprüftem Inhalt füllen, auch im Internet etwas verdienen. Es ist sehr zu begrüßen, dass nun endlich mehrere große Tageszeitungen und Magazine in Deutschland den Mut gefasst haben, im kommenden Jahr wesentliche Teile ihrer Online-Inhalte nur noch gegen Bezahlung zugänglich zu machen. Wir werden künftig verschiedene Sorten von Online-Abos und Bezahlschranken, sogenannte Paywalls, antreffen. Beim »Freemium«-Modell werden zum Beispiel exklusivere Artikel Geld kosten, während Allerweltnachrichten umsonst sind. Beim »Metered Modell« wird eine gewisse Anzahl von Artikeln umsonst zugänglich sein, ab einer bestimmten Anzahl muss der Leser zahlen. Und ein Teil der Inhalte wird auch weiterhin vollständig gratis bleiben. Und das ist auch gut so, denn natürlich gibt es auch gute, unkommerzielle Inhalte im Netz: auf speziellen Homepages, in Blogs. Auch mit denen müssen sich die kommerziellen Medien messen lassen.
Es ist eben keine antimoderne Internet-Gegnerschaft, aus der heraus Bezahlschranken gefordert werden, sondern das Gegenteil: Gerade weil die Zukunft der Medien im Internet liegt, muss dort auch ihre Finanzierung möglich sein. Sonst gibt es nämlich keine Zukunft für sie.