Shoot, baby!

Billig ist der Spott über Manufactum; über die Produkte, die so viel klobiger und rohbehauener sind als ihre baugleichen Pendants bei Woolworth; über Zahnarztfrauen, die sich Tin­tenfass und Federkiel kaufen, um mit dem nötigen Klassenbewusstsein die Einkaufsliste vollzukrakeln; über den Willen zur Hässlichkeit, die nur teuer genug daherkommen muss, um der abschmelzenden Mittelschicht zur Distinktion zu gereichen.
Doch Manufactum geht neue Wege, etwa mit dem El-Casco-Tischhefter M10. »Im Jahr 1934«, rapportiert die Website, »begann die spanische Feuerwaffenfabrik El Casco mit der Herstellung ziviler Produkte und erwarb sich in der Folgezeit einen hervorragenden Ruf. Der Tischhefter M10 trägt konstruktiv noch Spuren seiner Herkunft (dem Klammerreservoir war ursprünglich eine Karriere als Pistolenlauf zugedacht).« Da jubelt der Abteilungsleiter: Dieses Dokument habe ich mit demselben Stahl geheftet, mit dem Franco Aufständische niederschießen ließ! Beschwerden, Kündigungen, böse Briefe – niedergemetzelt von El Casco, dem Schrecken der Sierra Morena. »Stahl schwarz lackiert, teils verchromt. Das Magazin des Tischhefters M10 fasst 100 Heftklammern der Größe 24/6.« Ja, mit nur einer Salve mäht er ein Dutzend Rote um; schafft erbarmungslos Ordnung, schmiedet Schandverträge, Todesurteile und geheime Zusatzprotokolle zum Stahlklammerpakt; fügt mit jedem Tick und Tack die Überlegenheitsphantasie des Manufactum-Menschen fester – und lässt sich nach dem Papiermassaker »flintengleich komplett zerlegen«. Was der NPD nicht gelingt, schafft jetzt Manufactum: die mähliche Rekonstruktion jenes völkischen Kleinbürgers, den Ludwig Thoma einst singen ließ: »Ich schreite kühn, hussa, hojo,//mit langem Schritt aus dem Büro.«

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.