Eine Mockumentary über die virtuelle Band Fraktus

Wem gehört der Techno?

Die Musikszene ist sich einig: Fraktus, die seit Jahrzehnten zerstrittene Achtziger-Band, haben die Stampfmusik erfunden. In einer Mockumentary von Studio Braun und Lars Jessen wird die Geschichte der fiktiven Band rekonstruiert.

In seinem Kinofilm »Fraktus« schlägt das Trio von Studio Braun, also Heinz Strunk, Jacques Palminger und Rocko Schamoni, das »letzte Kapitel der Musikgeschichte« auf. Die drei verkörpern eine abgehalfterte Band namens Fraktus, die nachträglich zur Urzelle des Techno erklärt wird, allerdings längst in Vergessenheit geraten ist und nun endlich wieder rocken oder besser gesagt den Synthesizer aufdrehen will. Es geht um die Vergangenheit des Techno und eine Musikszene ohne Zukunft.
Es war an der Zeit, dass die Männer von Studio Braun sich die Musikindustrie und ihre Nebenerscheinungen vornehmen. Seit ihren absurden Telefonstreichen gelten sie als Meister des Nonsens. »Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte« ist als Mockumentary angelegt. Der Film gibt vor, das Comeback der Achtziger-Jahre-Band samt ihrer inzwischen in bürgerlichen Existenzen versumpften Originalbesetzung mit der Kamera zu begleiten. Wie schon bei der Verfilmung des Romans »Dorfpunks« von Rocko Schamoni führte auch hier wieder Lars Jessen Regie. Grob gesagt ist die fiktive Band Fraktus die norddeutsche Version von Spinal Tap. Und ebenso wie die Rocker von Spinal Tap schaffen es Rocko Schamoni als prollige und bergriffstutzige Rampensau, Heinz Strunk als skrupelloser Musikproduzent, der bis zum Anschlag mit Hass erfüllt ist, und Jacques Palminger als verschrobenes, kreatives Muttersöhnchen mit »Spreizniere und Kongozunge«, die Band so realistisch darzustellen, dass man vergisst, dass es die Gruppe niemals wirklich gegeben hat. Es ist eine detailverliebte Rekons­truktion, an der sich eine Reihe von echten Szenegrößen wie Jürgen Laarmann (Frontpage), Stephan Remmler (Trio) und Westbam beteiligten. Sie erzählen im Film, warum die Fraktus-Leute als Technogötter anzusehen sind.
»Mit ›Affe sucht Liebe‹ konnte man die Leute schocken, weil keiner wusste, worum es geht«, sagt der ehemalige Formel-1-Moderator Peter Illmann über den angeblich größten Hit der Fake-Techno-Bastler aus dem Jahre 1982. Doch was als Witz gedacht ist, beschreibt zugleich so treffend das heutige Pop-Geschäft, dass man endlich versteht, weshalb Lieder, die mehr nach Betriebsunfall klingen als nach Kunst, so erfolgreich sind. Dass H. P. Baxxter in dieser Mockumentary dann auch noch sagt, dass es ohne Fraktus niemals Scooter gegeben hätte, macht das Bild einer banalen Unterhaltungsindustrie perfekt. Weitere in Einspielern gezeigte Musiker wie Jan Delay, Blixa Bargeld und Maruscha sprechen eine ähnlich blumige, abgehobene Sprache wie ihre Kritiker aus den Musikredaktionen. Man hat sich an diese Wortwahl so sehr gewöhnt, dass sie beim flüchtigen Zuhören gar nicht weh tut.
»Wenn irgendetwas klar ist, dann Rogers Gespür für Trends und coole Sachen. Denn er kennt sich in der Musik aus. Punkt eins. Punkt zwei: Er kennt echt viele coole Leute«, sagt Lutschi, die hochschwangere Freundin des schmierigen Musikjournalisten Roger Dettner (Devid Striesow) über dessen Pläne, Fraktus nach 25 Jahren aus der Versenkung wieder auf die Bühne und vor allem in die Charts zu bringen. Irgendwie hat man als Betrachter bei solchen Aussagen das Gefühl: Ja, so läuft das im Business, es ist alles ein riesengroßes Kasperletheater, in dem sich die schmierigen Geschäftsmänner die Bühne mit durchgeknallten Nerds teilen und eine Sprache sprechen, die nichts mehr bedeutet, sondern nur noch vernebelt.
Doch das ist auch gleichzeitig das Problem des Films: Wer braucht noch Satire und Karikatur, wenn die Wirklichkeit schon so unrealistisch verkorkst scheint? Man denke an Justin Bieber und seinen Film »Never Say Never«. Wenn eine Mockumentary, abgesehen vom genialen Schwachsinn der drei Protagonisten, so nah an der Realität ist, verliert sie ihren Witz und wirkt nur noch traurig. Wenn Dettner schließlich dem Wahnsinn verfällt, weil die drei Typen, in die er sein gesamtes Geld gesteckt hat, einfach nichts hinkriegen, dann ist das schon deshalb nicht mehr witzig, weil die Realität viel weiter geht, etwa wenn, wie kürzlich in der SZ zu lesen war, in München ein zugekokster Werber nach einer Party nackt durch die Stadt rennt und irgendwann im Dönerladen landet. Es sind harte Zeiten für Satiriker. Aber da man Studio Braun immer dankbar ist, wenn sie ihren grobschlächtigen Witz auspacken und liebevoll die Spacken spielen, wird der Film irgendwann zum Kultklassiker ernannt werden und die Band Fraktus bei ihren Auftritten die Hallen füllen.

Fraktus (Deutschland 2012). Regie: Lars Jessen.
Kinostart: 8. November