Wilde Streiks in Namibia

Arbeitsbedingungen ungenügend

In Namibia gibt es immer mehr wilde Streiks. Derzeit streiten sich vor allem streikende Lehrkräfte mit Gewerkschaftsführungen und der Regierung.

Im multiethnischen Staat Namibia ist die soziale Ungleichheit groß. Eine vitale Streikkultur sorgt derzeit dafür, dass staatlich anerkannte Gewerkschaften in eine Legitimationskrise geraten. Seit Ende Oktober streiken Staatsbedienstete an Namibias Schulen und Krankenhäusern für eine Gehaltserhöhung. Insbesondere der Streik der Lehrerinnen und Lehrer hat bereits für große Konflikte gesorgt. Weil der Streik nicht von der verhandlungsführenden Gewerkschaft NANTU unterstützt wird, wurde er am 2. November gerichtlich verboten und für illegal erklärt. Seit Juni verhandelten die Gewerkschaft der Staatsbediensteten NAPWU sowie die Lehrergewerkschaft NANTU mit der Regierung über eine Gehaltserhöhung. Am Freitag vergangener Woche wurde von den verhandlungsführenden Gewerkschaften ein Tarifabschluss erzielt, der Gehaltserhöhungen in Höhe von acht Prozent sowie die Erhöhung verschiedener Zulagen vorsieht. Lehrerinnen und Lehrer an Namibias staatlichen Schulen beklagen seit langem unzumutbare Arbeitsbedingungen, viele leben in armen Verhältnissen.

Trotz des Tarifabschlusses droht die Lage weiter zu eskalieren. Die Lehrerinnen und Lehrer selbst fordern seit Beginn ihres wilden Streiks eine 40prozentige Gehaltserhöhung. Sie sind mit der Gewerkschaftsführung zerstritten und wollen weiterhin streiken. Unabhängige Gewerkschaften wie die TUN, die die Lehrkräfte unterstützen, sowie deren eigenes Interim-Komitee werden indes von der Regierung nicht als Verhandlungspartner akzeptiert. Die Regierung droht seit dem Tarif­abschluss den weiterhin streikenden Lehrkräften noch vehementer mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen und prüft sonstige gerichtliche Schritte. Gegen den früheren Generalsekretär des gewerkschaftlichen Dachverbandes NUNW, Evilastus Kaaronda, und weitere ausgemachte Streikführer werden mittlerweile Verfahren angestrengt, ihnen drohen Haftstrafen. Kaaronda, der aus der NUNW ausgeschlossen wurde, soll es verboten werden, erneut öffentlich aufzutreten. Zuvor rief er als Redner auf einer illegalen Versammlung Hunderter streikender Lehrkräfte zu einem Generalstreik auf. Mitglieder anderer Gewerkschaften organisieren ein Solidaritätskonto für ihn.
Der tiefe Riss zwischen Gewerkschaftsführung und Basis offenbarte sich während der Verhandlungen am 29. Oktober, als Lehrerinnen und Lehrer gleichermaßen gegen die Verhandlungsführer der Gewerkschaft wie der Regierung protestierten. Am 30. Oktober folgten dann die ersten wilden Streiks. Protestiert und gestreikt wird vor allem in der Hauptstadt Windhoek, aber auch in Swakopmund, Otjiwarongo und Walvis Bay. Im sogenannten Caprivi-Zipfel, im äußersten Nordosten des Landes, gab es vergangene Woche einen ersten Solidaritätsstreik dortiger Lehrkräfte. Auch anderswo streikten Teile der landesweit 23 000 Lehrerinnen und Lehrer.

»Wir verstehen die Forderungen der Lehrer und das Ministerium soll nachgeben, damit wir mit dem Unterricht weitermachen können«, werden vier Schüler der Eldorado-Oberschule in Windhoek in der deutschsprachigen namibischen Allgemeinen Zeitung zitiert. Am Freitag vergangener Woche unterstützen Hunderte Schülerinnen und Schüler die Forderungen ihrer Lehrkräfte mit einer Demonstration. Die konservative Allgemeine Zeitung bewertete den Streik unterdessen als »anarchistischen Egoismus«. Den Streik nimmt das Blatt zum Anlass, die fehlende »Arbeitsmoral« anzuprangern. Namibia hat eine Arbeitslosenquote von über 50 Prozent, »anstatt die Bettelhand aufzuhalten«, solle Verantwortung übernommen werden, so der Kommentar in der ehemaligen Kolonialzeitung.
In Namibia nehmen Konflikte zwischen Gewerkschaftsführungen und ihrer Basis sowie illegale Streiks zu. Die Fronten verhärten sich. Zuletzt wurden 104 Kündigungen gegen Beschäftigte einer Molkerei ausgesprochen, nachdem diese zum zweiten Mal einen wilden Streik durchgeführt hatten. Beim staatlichen Transportunternehmen Transnamib führte die Transportarbeitergewerkschaft NATAU zu Beginn dieses Jahres ebenfalls einen illegalen Streik durch, an dem sich 1 400 Angestellte beteiligten. Es ist derzeit unklar, welche Folgen der Streik der Lehrerinnen und Lehrer haben wird.