Die Begründungen für das geplante Verbot der Zoophilie sind zweifelhaft

Hündchenstellung

Die Bundesregierung will Sex mit Tieren unter Strafe stellen. Bislang ist dies nur verboten, wenn dem Tier dabei nachweislich Leid zugefügt wird. Die Begründungen für die Gesetzesinitiative sind allerdings zweifelhaft und fußen teilweise auf falschen Behauptungen.

Der Drang des Menschenmännchens, sein Genital immerzu in irgendwelche Öffnungen hineinzu­stecken, treibt mitunter bizarre Blüten. Davon können nicht nur Vertreter von großen Staubsaugerherstellern ein Lied singen, sondern auch mancher Landwirt. Die menschliche Sexualität ist ganz allgemein reich an Seltsamkeiten. Was dem einen als pervers gilt, ist dem anderen höchste Lust, und wenn die meisten sich schon bei dem Gedanken an etwas schütteln, seufzt mancher gerade erst vor Erregung auf. Rasch neigt die Mehrheitsgesellschaft dazu, von der Norm abweichendes Verlangen zu pathologisieren oder zu kriminalisieren. So selbstverständlich es heute vielen Menschen scheint, dass ein Regierender Bürgermeister und ein Außenminister im Bett gleichgeschlechtliche Gesellschaft bevorzugen, wobei vermutlich auch den katholischsten Land-Bayern klar sein dürfte, dass die beiden mit ihren Männern dort auch anderes machen, als über die Farbe des Kopfkissens zu diskutieren, so selbstverständlich müssten dieselben Männer wegen derselben Aktivitäten in anderen Ländern an der nächsten Straßenlaterne baumeln. Werte sind relativ.

Was aber ist mit Menschen, die auf Tiere stehen? Zoophilie gilt aus medizinischer Sicht als krankhafte Störung der Sexualpräferenz, manche Forscher halten sie dagegen für eine zum natürlichen Spektrum der menschlichen Sexualität gehörende Orientierung analog zu Hetero- und Homosexualität. Wie dem auch sei, die meisten Menschen quieken bei dem Thema entsetzt auf wie die Sau im Schlachthaus. Aus sittlichem beziehungsweise religiösem Abscheu vor dem Treiben an sich, aber auch aus Empörung über die damit verbundene Tierquälerei. Wir brauchen nicht viel Phantasie, um uns vorzustellen, was die ältere Dame, die gerade im Aldi 700 Gramm Nackenkoteletts für 2,99 Euro gekauft hat, auf die Frage antwortet, was sie davon hält, dass manche Menschen ihr Frischfleisch lebend bevorzugen.
Die Sodomie ist so alt wie die Menschheit, reichlich historische Quellen zeugen davon. Nun besteht eine an sich unverhandelbare aufgeklärte Haltung darin, dass jeder im Bett tun können soll, was er möchte. Aber auch im Stall? Ob man den Gedanken abstoßend findet, sollte bei der Beurteilung keine Rolle spielen. Andere Leute ziehen sich Arztkittel an, wenn sie es miteinander treiben. Der von einem im Keller aufgestellten Gynäkologenstuhl ausgehende Lustgewinn ist vielen Menschen ebenso fremd wie das Wollust-Poten­tial eines Schafes, und sei es noch so flauschig. Solange kein anderer in seinen Rechten verletzt wird, sollte das eigentlich niemanden interessieren. Die libertäre Einstellung endet jedoch eben genau da. Dass in den siebziger und achtziger Jahren teilweise offen Pädophilie propagiert wurde, begleitet von der Versicherung, alle Handlungen erfolgten ja in gegenseitigem Einverständnis, ist nach heutigem unumstrittenem Konsens völlig inakzeptabel.
Und bei Tieren? Es herrscht gesellschaftliche Einigkeit darüber, dass einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund Leid zugefügt werden darf. So ist es im Tierschutzgesetz festgeschrieben. Wobei die Definition eines vernünftigen Grundes wieder sehr relativ ist. Die menschliche Lust am Tier auf dem Teller geht bedenkenlos durch, bei der Lust am Tier im Bett herrscht Entsetzen. Dabei wäre es vermutlich leichter, die omnivore Mehrheitsgesellschaft verlagerte ihre Gourmet-Gelüste auf Blumenkohl – eine Möglichkeit, die dem Zoophilen wohl kaum offen steht.

Sodomie stand in Deutschland bis 1969 im berüchtigten »Schwulenparagraphen« 179 unter Strafe. Damals war die Welt irgendwie noch halbwegs sortiert: Ob Männer mit anderen Männern oder Ziegen herummachten, machte für Gesellschaft und Gesetzgeber keinen Unterschied. Pervers eben. Erst nach der Strafrechtsreform von 1969 durften Schwule mit anderen Männern machen, was Schwule eben gerne mit anderen Männern machen, und wer fortan lieber seinen Schäferhund in die Pflicht nahm, war frei, so zu handeln, solange dem Tier dabei kein nachweisbares Leid entstand, was eben mit dem Tierschutzgesetz kollidieren würde. So ist die Rechtslage bis heute.
Viele sodomitische Praktiken gehen eindeutig mit der physischen Schädigung des betroffenen Tieres einher und sind daher sowieso strafbar. Die Grauzone bilden jene Zoophile, die sich in einer auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehung mit dem tierischen Geschlechtspartner wähnen – auch sexuell. Während die meisten Tierschützer diese Vorstellung generell ablehnen, sieht ein kleiner Teil der Tierrechtsbewegung darin letztlich die individuelle Überwindung des Speziesimus.
Aber auch jenseits solcher ideologischen Über­legungen könnten einem Zweifel kommen: Wer je sah, wie, sagen wir, ein Bernhardiner einen Rauhaardackel besteigt, der könnte sich durchaus fragen, warum andererseits eine Schäferhündin es zwingend als unangenehm empfinden sollte, wenn das Herrchen zur Hündchenstellung ansetzt. Zumal, umgekehrt, mancher Hund und manches Kaninchen durchaus aktiv sexuelles Interesse am menschlichen Gegenüber zeigt. Selbst der putzige Delphin Flipper soll einstmals bei den Dreharbeiten der menschlichen Hauptdarstellerin gegenüber mehrfach übergriffig geworden sein – eine Information, die einen mit Schaudern an Lassie oder Skippy, das Buschkänguru, denken lässt. Ist es also tatsächlich ein Gebot des Tierschutzes, Sodomie zusätzlich zu den ja schon bestehenden gesetzlichen Regelungen wieder unter Strafe zu stellen?
Ja, sagen Tierschützer, denn zum einen werde das Tier dabei immer ausgenutzt und leide auch dann, wenn hinterher keine körperlichen Verletzungen sichtbar seien. Außerdem werde durch derartige Handlungen seine Integrität verletzt, die ebenfalls ein Rechtsgut darstelle. Und schließlich erleichtere es ein solches Verbot generell, gegen tierquälerische Praktiken vorzugehen, da dann kein Einzelnachweis mehr geführt werden müsse. So könne man auch effektiv gegen Tierbordelle vorgehen. Und wer mag sich schon einer gesetzlichen Regelung in den Weg stellen, die etwas derart Unappetitliches endlich aus der Welt schafft?

Die Tierbordelle sind die finale Argumentationswaffe, und so tauchten sie auch in der Begründung jener Bundesratsinitiative auf, mit der Sodomie unter Strafe gestellt werden soll. Die Journalistin Katharina Meyer hat sich der Problematik in der Badischen Zeitung detailliert angenommen. Ist vielleicht doch eher ein Provinzthema. Jedenfalls fragte sie beim Land Rheinland-Pfalz, das mit Tierbordellen seine Sodomie-Bundesratsinitiative begründete, wo genau sie einen solchen Rotlichtstall mal in Augenschein nehmen könne. In Rheinland-Pfalz zuckte man mit den Schultern und verwies auf Hessen, die Informationen kämen von dort. Beim Land Hessen zuckte man mit den Schultern und verwies auf die hessische Tierschutzbeauftragte, die Informationen kämen von ihr. Die hessische Tierschutzbeauftragte Madeleine Martin war bereits 2005 von der Presseagentur DPA zitiert worden, dass Tierbordelle ein wachsendes Problem darstellten. Heute sagt Frau Martin, sie sei damals von der DPA falsch zitiert worden. Eine Richtigstellung gab sie aber nie ab. Obwohl sie nun einräumt, dass es in Deutschland bislang keinen Hinweis auf Tierbordelle gebe, müsse man ihre Existenz als »hochwahrscheinlich« und »logisch zwingend« annehmen, denn in Skandinavien gebe es sie schließlich auch. Skandinavien, der ewige Sündenpfuhl. Man denke nur an die Schwedenpornos. Aber auch in Skandina­vien – von Tierbordellen keine Spur. Man muss wirklich nicht zoophile Handlungen gutheißen, um es befremdlich zu finden, wenn Gesetze auf der Basis von ungeprüften, offenkundig falschen Behauptungen erlassen werden.

Das ist allerdings kein Einzelfall. Die Tierschutz-Splittergruppe Pro Wildlife behauptete 2007, es gebe in Deutschland immer mehr Unfälle mit giftigen Tieren wie Schlangen und Spinnen, auch Unbeteiligte und vor allem Kinder seien wiederholt zu Schaden gekommen. Dies habe eine Erhebung bei den deutschen Giftnotrufen ergeben. In der Folge erließ das Land Hessen ein Verbot der privaten Haltung solcher Tiere, maßgeblich beteiligt war auch hier die Tierschutzbeauftragte Ma­deleine Martin. Wie sich dann später jedoch herausstellte, waren die alarmierenden Unfallzahlen eine plumpe Fälschung, die offenbar nur dem Ziel dienen sollte, der bei vielen Tierschützern ungeliebten Haltung von Wildtieren in Privathaushalten einen Riegel vorzuschieben. Das Gesetz ist dennoch in Kraft.
Giftschlangen in unseren Kinderzimmern und Tierbordelle in unseren Ställen endlich verboten – sage noch einer, die Politik sei nicht handlungsfähig. Die zuständige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kommentiert denn auch das Vorhaben, Sodomie unter Strafe zu stellen, so: »Deutschland ist Vorreiter beim Tierschutz. Der Schutz der Tiere hat für die Bundesregierung einen hohen Stellenwert, deshalb werden wir weitere Verbesserungen auf den Weg bringen.« Womöglich hat sie auf diesen großen Erfolg mit ihren Parteifreunden abends bei einem zünftigen, aus der Massentierhaltung gewonnenen Schnitzel angestoßen. Noch in diesem Jahr sollen Bundestag und Bundesrat über die Reform des Tierschutzgesetzes abstimmen.