Der Fall Beate Zschäpe zeigt, dass Frauen bei Nazis nicht nur Anhängsel sind

Nazis mit Binnen-I

Rechtsextreme Frauen streben Macht­positionen an und engagieren sich in der völkischen Szene.

Politik und Medien sind mit der Auseinandersetzung über immer neue Anschläge rechtsextremer Gruppen auf öffentliche Einrichtungen, Privathäuser und Asylbewerberheime beschäftigt. Welche Rolle Frauen in der rechtsextremen Szene spielen, bleibt dabei häufig unbeachtet. Eine Ausnahme bildet Beate Zschäpe, die wegen ihrer Mitgliedschaft beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) verhaftet wurde, am Donnerstag voriger Woche wurde Anklage gegen sie erhoben. Doch selbst ihr haben die Medien zunächst keine ernst zu nehmende Rolle bei den rechtsextremen Aktivitäten zugeschrieben: Bezeichnungen wie »braune Witwe« (Zeit), »Nazibraut« (Bild) oder »Katzenmama« (Die Welt) belegen, dass viele Medien sie ganz im Sinne eines traditionellen Geschlechterverständnisses nur als Anhängsel ihrer männlichen Mittäter ansahen und ihr ein eigenständiges Handeln nicht zutrauten.
Während über Zschäpes Katzenliebe und ihr Verhältnis zu ihrer Oma diskutiert wurde, blieb weitgehend unberücksichtigt, dass die mutmaßliche NSU-Terroristin exemplarisch für den steigenden Einfluss von Frauen in der rechtsextremen Szene steht. Die Rechtsextremismusexperten Andrea Röpke und Andreas Speit schildern in ihrem Buch »Mädelsache. Frauen in der Neonazi-Szene«, dass Rechtsextremistinnen immer häufiger auf verschiedenen Ebenen Machtpositionen anstreben, ihre menschenverachtende Weltsicht aber auch im Hintergrund durch ehrenamtliches Engagement und Tätigkeiten in sozialen Berufen verbreiten können.
Im Privaten haben Rechtsextremestinnen die Möglichkeit, subtil auf soziale Strukturen einzuwirken: Gemäß weiblichen Rollenklischees gelten sie als »von Natur aus« friedfertige, eher unpolitische Personen, die sich mit harmlosen Alltagsfragen beschäftigen. Jedoch »finden wir Mütter, die in der Kita ihre Ideologie einbringen oder mit der Nachbarin im Haus über Themen wie Kindererziehung, biodynamisches Essen, über Asylfragen oder demographischen Wandel diskutieren und ihre völkischen Argumentationen einbringen«, sagt Heike Radvan, Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Den Vorteil, den dieses Auftreten verschaffe, habe auch die NPD erkannt. »Sie ruft Frauen dazu auf, sich zu engagieren und in soziale Berufe zu gehen, um ihre Ideologie hier weiterzutragen. Man hat die geringere Wahrnehmung von Menschenfeindlichkeit unter Frauen erkannt und setzt dies strategisch ein«, sagt Radvan.

Besonders wirksam ist das soziale Engagement der Rechtsextremistinnen im Rahmen der völkischen Siedlungsbewegung, die seit einigen Jahren populärer wird. Röpke zufolge haben die in dieser Bewegung engagierten rechtsextremen Familien in Mecklenburg-Vorpommern, wo viele Orte von starker Abwanderung betroffen sind und es an sozialen Bindungen mangelt, in manchen Dörfern eine Vormachtstellung erlangt. Sie haben entsprechend dem völkischen Mutterideal häufig mindestens drei Kinder. Dass auch die Bundesregierung Familienplanung nach diesem Ideal unterstützt, zeigt die Ehrenpatenschaft, die der jeweilige Bundespräsident für das siebte Kind einer Familie übernimmt und mit einer Urkunde sowie 500 Euro Prämie belohnt. Auch rechtsextreme Familien sind von dieser Ehrbezeugung nicht ausgenommen, wie 2010 der damalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) bewies, als er trotz heftiger medialer Kritik, die nach Berichten der Taz einsetzte, die Patenschaft für ein Kind des rechtsextremen Ehepaars Müller aus dem mecklenburgischen Lalendorf übernahm.

Zudem vertreten die rechtsextremen Familien gerne eine ökologische, naturnahe Haltung, die dem gesellschaftlichen Trend zu alternativen Lebensweisen ähnelt. Darüber knüpfen sie in den Dörfern Verbindungen zur Nachbarschaft. Wenn ihre autoritäre und rassistische Einstellung bekannt wird, sind sie bereits gesellschaftlich anerkannt und können nur noch schwer aus dem dörflichen Alltag gedrängt werden. Die ehrenamtliche Tätigkeit der Neonazis konzentriert sich auf Sportvereine, Freiwillige Feuerwehren, Schulen und Kindertagesstätten. Ende Juli 2010 verfügte Manuela Schwesig (SPD), die Sozialministerin vonn Mecklenburg-Vorpommern, den sogenannten Kita-Erlass, private Betreiber von Kindertagesstätten müssen nun nachweisen, dass ihr Personal verfassungstreu ist (Jungle World 31/2010). Die Sorge der Ministerin, »Rechtsextreme könnten Träger von Kindergärten« werden, ist nicht unbegründet. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, auch in westdeutschen Bundesländern engagieren sich Frauen, die zur rechten Szene gehören, seit längerem gezielt in Kitas. Darüber hinaus erfreuen sich Berufe, die für die Arbeit in Erziehungseinrichtungen qualifizieren, bei rechtsextremen Frauen wachsender Beliebtheit.
Wie das rechtsextreme Nachrichtenportal ­Mupinfo berichtet, eröffnete der Ring Nationaler Frauen (RNF), die Unterorganisation der NPD für Frauen, erst vor wenigen Wochen im sogenannten Thing-Haus eine Kleiderbörse für Kinder. Das Haus in Grevesmühlen ist das wichtigste rechte Versammlungszentrum in Mecklenburg-Vorpommern. Neben der neonazistischen Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) ist der RNF eine der größten rechtsextremen Frauenorganisationen in Deutschland. Beide vertreten ein traditionalistisches Frauenbild und wollen völkische Brauchtumspflege fördern. Doch während die GDF eher klandestin arbeitet, betreibt der RNF gezielt Öffentlichkeitsarbeit und steht damit für den allgemeinen Trend zu größerer weiblicher Aktivität in der rechtsextremen Szene. »Frauen treten zunehmend auf die Vorderbühnen und übernehmen Funktionen, in denen sie sichtbar werden«, bestätigt Michaela Köttig vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus.
Die »weibliche« Strategie des bürgernahen Engagements hat auch bei Kommunal- und Landtagswahlen Erfolg: Mit Marianne Pastörs, Janette Krüger, Stefanie Röhr und Fanny Arendt konnten im Jahr 2011 in vier von sechs Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns NPD-Kandidatinnen Sitze in Kreistagen erringen. Die Partei versucht aber auch gezielt, ihre weiblich Wählerschaft zu vergrößern. Die NPD-Schülerzeitung Der Titellose widmete bereits 2007 dem Thema »Nationalismus ist auch Mädchensache« eine Doppelseite und beschwerte sich, die Presse verschweige, dass sich in der nationalen Bewegung auch junge Mädchen und Frauen engagierten. Zumindest das beginnt sich seit dem Bekanntwerden des NSU zu ändern.