Deutschland und die griechischen Schulden

Schäuble auf der ­falschen Spur

Ein drastischer Schuldenschnitt könnte Griechenland beim Schuldenabbau helfen. Doch die deutsche Regierung bleibt stur.

Manche Ankündigungen sind schon obsolet, bevor sie überhaupt ausgesprochen werden, zumal wenn es sich dabei um Griechenland handelt. Zwei weitere Jahre wollen die Finanzminister der Eurogruppe der griechischen Regierung geben, um ihre Sparziele zu erreichen. Das Land soll demnach erst 2022 einen Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Ab dann sollen die Griechen in der Lage sein, ihre Verbindlichkeiten selbst zu bedienen.
Vermutlich glauben nicht einmal die EU-Finanzminister an ihren Plan. Warum ausgerechnet bei 120 Prozent die sogenannte Schuldentragfähigkeit erreicht sein soll, wird ihr Geheimnis bleiben. Sicher ist allerdings, dass Griechenland das Ziel unter den geltenden Konditionen nie erreichen wird. Die rigide Sparpolitik hat die Ökonomie in eine tiefe Rezession gestürzt, deren Ende nicht abzusehen ist. Das Land befindet sich in einer fatalen Situation: Je mehr gespart wird, desto schneller wachsen die Schulden. Mittlerweile belaufen sich die Ausstände auf 320 Milliarden Euro, was etwa 145 Prozent des BIP entspricht. Vieles spricht dafür, dass die Schuldenquote demnächst weiter steigen wird, auf bis zu 190 Prozent.
Dass die Sparziele unter diesen Umständen völlig unrealistisch sind, hat nun offenbar die Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, erkannt. Sie will von der Fristverlängerung um zwei Jahre nichts wissen. Stattdessen schlägt sie einen drastischen Schuldenschnitt vor, der es vielleicht ermöglichen würde, die Krise wieder halbwegs unter Kontrolle zu bekommen: Die Gläubiger sollen auf rund die Hälfte ihrer Ansprüche verzichten, ähnlich wie beim ersten Schnitt im vergangenen Jahr. Während damals vor allem private Gläubiger betroffen waren, sind es heute staatliche Institutionen, allen voran die Europäische Zentralbank (EZB).
Die einfachste Lösung bestünde wohl darin, dass die EZB auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet. Dies käme aber einer direkten Staatsfinanzierung gleich, was ihr nach dem EU-Vertrag verboten ist. Damit bleibt nur übrig, dass die Gläubigerstaaten, insbesondere Deutschland, den Schuldenschnitt finanzieren. Dafür müsste Finanzminister Wolfgang Schäuble rund 17,5 Milliarden Euro abschreiben. Bislang hat Schäuble solche Pläne kategorisch zurückgewiesen. Dabei wissen es seine eigenen Berater besser. »Es ist klar, dass ein Forderungsverzicht Deutschlands kommen muss. Die Frage ist nur, wann«, sagte Clemens Fuest, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums, vergangene Woche in der Rheinischen Post. Diejenigen in der deutschen Politik, die »beharrlich das Gegenteil vertreten, tun sich verständlicherweise schwer damit zuzugeben, dass ihre Position nicht haltbar ist«, sagte er.
Schließlich hat die Bundesregierung jahrelang die Legende erzählt, dass die Griechinnen und Griechen nur hart genug sparen müssten, um die Krise zu bewältigen. Ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl wird sie kaum eingestehen wollen, dass sie mit ihrem Konzept gescheitert ist. Gut möglich aber, dass ihr bald nichts anderes übrig bleibt. Bislang wissen die Finanzminister der Euro-Länder nicht einmal, wie sie die Fristverlängerung finanzieren sollen.