Sprung in der Platte

Der ultimative Verschwörungssoundtrack hat einen Namen: »Wo sind sie jetzt« von Xavas liefert die perfekte musikalische Untermalung zum nachmittäglichen Teetrinken im esoterischen Lesezirkel. Xavas ist eine Kooperation zwischen dem säuselnden Christenmenschen Xavier Naidoo und dem Rapper Kool Savas. Ganz raffiniert lautet der Titel des Albums daher auch »Gespaltene Persönlichkeit«. Der darauf enthaltene Hidden Track hat nun für Aufruhr gesorgt. Darin werden in bizarrer Art und Weise Homosexualität, Pädophilie und angebliche Ritualmorde an Kindern verknüpft. Das Gottesgejaule des Mannheimer Sängers allein kann einem schon zusetzen. Jetzt kommen auch noch Verschwörungstheorien hinzu: »Ihr tötet Kinder und Föten. Ihr habt einfach keine Größe und eure kleinen Schwänze nicht im Griff. Warum liebst du keine Möse, wo jeder Mensch doch aus einer ist«, heißt es in dem Lied. Geboten wird ein buntes Allerlei aus Anti-Abtreibungs-Aktivismus, Sexismus, Homophobie und Rachephantasien gegen pädophile Gewalttäter. Naidoos Ausführungen in einem Interview mit Radio FFM zufolge hängt das nun irgendwie alles zusammen mit »furchtbaren Ritualmorden an Kindern, die tatsächlich ganz viel in Europa passieren«. Wie genau, verrät er nicht. Damit wäre schließlich der ganze schöne Spaß am Rätselraten dahin.
Damit die Fans weiter bei schummrigem Licht spekulieren können, welches weltweite Netzwerk nun für die angeblichen Ritualmorde verantwortlich ist, stiften Xavas noch geschickt Verwirrung. »Ich glaube nicht, dass diese Täter schwul oder pädophil sind«, ­schreiben die beiden auf ihrer Homepage. Nur um im Satz darauf zu erklären, dass Naidoo selbst in seiner Kindheit Missbrauchserfahrungen gemacht habe, die den Song beeinflusst hätten. Diese widersprüchliche Mischung aus christlicher Esoterik, satanistischer Weltverschwörung und Kritik an Kindesmissbrauch verkauft sich offenbar gut. »Gespaltene Persönlichkeit« stand auf Platz eins der deutschen Charts. Leider haben sich auch die ersten Störenfriede zu Wort gemeldet. Die Linksjugend Solid hat gegen die beiden Musiker Anzeige erstattet. Sie sieht in dem Song den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Xavas entschuldigten sich daraufhin, versäumten es aber nicht, am Ende ihres Statements noch schnell auf eine Webseite mit dem Namen »Lichtstrahlen Oldenburg« zu verweisen. Den Fans von Xavas gefiel das. Es bleibt mysteriös.