Nation-shaving

Bedrohlich rummst es aus den Lautsprechern, dann sagt eine kernige Stimme: »Wir Deutschen kennen den Unterschied zwischen einfacher Herstellung und ausgereifter Ingenieurskunst.« Derselbe Text schwebt, in strenger Type, überm dunklen Bildschirm, als begänne gleich ein History-Spektakel über Hitlers schönste Panzer. Es ist aber nur der Gesichtsschaber-Hersteller Gilette, der uns mitteilt, dass sich der deutsche Mann Mach-3-Rasierer besorgen muss, wenn er nur tief in sich lauscht, sein deutsches Wissen und Wesen befragt. Ja, die Deutschen kennen sie, »die Liebe zum Detail«, »das funktionale Design« und »die Langlebigkeit«, ein tausendjähriges Klingenreich wird erstehen, wenn nach der Mach-3-Ergreifung »alle Wettbewerbsprodukte« abgeholt, halt, Quatsch: »in den Schatten gestellt« werden und die arische Herrenklinge V-3 sämtliche Auswüchse am Volksköprer erbarmungslos niedermäht. Es ist zu wünschen, dass mehr Firmen an deutsches Wissen appellieren. Denn wir Deutschen wissen, dass die Salatbar bei Rewe bis zehn Uhr abends offen hat! Auch wenn die ganze Welt zusammenfällt! Eisern wird durchgehalten, bis auch der letzte, zu Tode erschöpfte Kunde die Kelle in den verkeimten Mayonnaisebrei tunkt. Wir Deutschen wissen, dass man bei der Postbank nicht nur Geld einzahlen kann – nein, auch hier geht’s ums Ganze! Da wird einem auch ein Stromvertrag oder gleich eine ganze Altersvorsorge angedreht. Wir wissen: Jeder Kundenkontakt muss genutzt und ausgepresst werden bis aufs Blut! Und wir wissen, dass sich tapfere Männer und Frauen für uns opfern, da draußen, in den gasdurchwehten, glitzernden Schützengräben der Douglasfilialen, durch den Parfümdunst marschieren, schwere Nervenschäden in Kauf nehmen – alles für unser Bruttosozialprodukt! Es lebe das billige Deutschland!