Schottland will über die Unabhängigkeit abstimmen

Schottland: Ohne England in die EU?

Das Referendum über die schottische Autonomie im Jahr 2014 führt bereits jetzt zu heftigen politischen Debatten in Großbritannien.

»Sind Sie damit einverstanden, dass Schottland ein unabhängiges Land wird?« Geht es nach dem schottischen Premierminister Alex Salmond und seiner Partei, der Scottish National Party (SNP), dann werden vier Millionen wahlberechtigte Schotten genau diese Frage gestellt bekommen. In einem Referendum, das wahrscheinlich im Oktober 2014 stattfinden wird, geht es um nicht weniger als das potentielle Ende der 300jährigen Union zwischen Schottland und England, den beiden größten Mitgliedern des Vereinigten Königreiches von Großbritannien.

Das schottische Referendum ist ein Wahlversprechen der SNP gewesen, die im Mai 2011 bei den Wahlen zum Holyrood, dem schottischen Parlament in Edinburgh, überraschend eine absolute Mehrheit und damit das eindeutige Mandat errang, mit London über eine Abtrennung zu verhandeln. Die SNP hat politisch an Einfluss gewonnen, seit in den siebziger Jahren die Öl- und Gasproduktion vor der schottischen Küste boomt. Die Einnahmen gehen derzeit direkt nach Großbritannien, was schottische Nationalisten seit Jahrzehnten kritisieren. Neben der Ökonomie geht es vielen auch darum, die britische Nuklearmarine und die Trident Atomraketen loszuwerden, die in Schottland stationiert sind. Die SNP hat erklärt, dass Schottland in Zukunft nuklearfrei sein soll.
Für die drei großen britischen Parteien, Labour Party, Liberaldemokraten und Konservative, steht außer Frage: Die Abspaltung Schottlands muss verhindert werden. Ihre drei schottischen Schwesterparteien bilden die Opposition zur SNP im schottischen Parlament. Das Streben nach politischer Unabhängigkeit unterstützen neben der SNP auch die schottischen Grünen und die trotzkistische Solidarity Party. In England wird die Sache eher mit Gelassenheit betrachtet. Vor allem für die englische Linke und die Labour Party wäre jedoch ein Ausscheiden Schottlands aus der Union politisch problematisch. Denn ohne Schottland hätten die Konservativen eine für Labour kaum zu brechende strukturelle Mehrheit im Lande. Die Konservativen ihrerseits sind gegen die Abspaltung Schottlands, weil sie einen Machtverlust Großbritanniens fürchten. Die Liberaldemokraten befürworten eine völlig neue föderale Verfassung für das Vereinigte Königreich, ähnlich der der Bundesrepublik Deutschland. Die Entscheidung liegt allerdings nun erstmal bei den schottischen Wählerinnen und Wählern.
Die konservative Regierung unter David Cameron hat das Mandat der SNP anerkannt und in den vergangenen Monaten mit der schottischen Regierung über die Bedingungen des Referendums umfangreiche Verhandlungen geführt. Cameron hatte gefordert, dass die Schotten bloß eine einfache Frage gestellt bekommen, während die SNP eine dritte Möglichkeit, die sogenannte devolution max oder »maximale Devolution«, vorschlagen wollte, also die weitgehende Autonomie Schottlands innerhalb des Vereinigten Königreichs. Diese Option hat nach vielen Umfragen am meisten Unterstützung und war von der SNP als Alternative gedacht, falls die Schotten sich mehrheitlich nicht für die Unabhängigkeit entscheiden sollten. Cameron konnte sich allerdings in dieser Frage durchsetzen, und die Schotten werden nun bloß Ja oder Nein zur Unabhängigkeit sagen können.

Auch über die Formulierung des Referendums wird gestritten. Vielen Unionisten ist die derzeitige Formulierung nicht neutral genug. Es sei nicht deutlich, dass die Bejahung der Frage das Ende der politischen Union von Schottland und England bedeute. Die schottische Regierung hat die Frage deswegen nun der unabhängigen britischen Wahlkommission zur Prüfung vorgelegt. Deren Urteil wolle man studieren, so Nicola Sturgeon, die stellvertretende Ministerpräsidentin von Schottland, aber letztlich entscheide Schottland selbst.
Eine weitere Debatte gibt es über die Finanzierung der Kampagnen. Die SNP befürchtet, dass die Unionisten mit ihren großen Parteien und ihren wirtschaftlichen Interessen in London deutlich mehr Geld aufbringen könnten als die Separatisten. Daher gibt es Pläne, das Geld für die Kampagnen zu beschränken.
Auch sind eine Reihe von politischen Fragen offen, die substanielle Auswirkungen auf die Entscheidung haben könnten. Vor allem die Frage der Zugehörigkeit eines unabhängigen Schottland zur EU. Die schottische Regierung behauptet, dass Schottland automatisch Mitglied der EU würde. Doch in London wird dies in Frage gestellt. Die EU-Kommission hat sich zuletzt neutral geäußert und die britische Regierung aufgefordert, eine offizielle Anfrage zum Thema zu stellen. Dies lehnt die Regierung allerdings ab, denn man wolle nicht vor dem Referendum bereits so agieren, als sei die Abspaltung Schottlands eine ausgemachte Sache. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass zumindest die EU-Kommission eine automatische Aufnahme des unabhängigen Schottland wahrscheinlich nicht ablehnen würde.
Anders könnte allerdings das Votum des Europarats ausfallen, in dem neben Großbritannien mindestens auch noch Spanien, Belgien und Zypern jegliche Versuche separatischer Bewegungen innerhalb der EU, bei einer Abspaltung automatisch den Status eines Mitgliedslandes zu erreichen, torpedieren werden.