Die »Weltkonferenz zur Globalen Kommunikation« in Dubai

Netz unter Kontrolle

In Dubai wird auf der Weltkonferenz zur globalen Kommunikation über die Regulierung des Internet diskutiert.

Wollen die Vereinten Nationen das Internet übernehmen? Das fragen sich schon seit geraumer Zeit Aktivisten, Unternehmen und ein großer Teil der netzpolitisch engagierten Öffentlichkeit. Seit Anfang dieser Woche trifft sich die Internationale Fernmeldeunion, um neue Vorschriften zur Telekommunikation zu verabschieden. Darunter sind weitreichende und sehr umstrittene Vorschläge für die künftige Regulierung des Internet.
Die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, Itu) ist eine Sonderorganisation der Uno, die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschäftigt. Die Itu besteht aus drei Bereichen: Standardisierung, Radio-Kommunikation und Entwicklung. 193 Mitgliedstaaten der Uno gehören der Itu an.

Die Itu ist die Nachfolgeorganisation des Internationalen Telegraphenvereins, der 1865 gegründet wurde. Ihr Gebiet war schon immer die klassische Telefonie, vor allem große Telefongesellschaften arbeiten mit ihr zusammen. Mit den Veränderungen der internationalen Kommunikation durch das Internet konnte die Organisation allerdings nicht mithalten. Nun gibt es Bestrebungen, der Itu Kompetenzen über bestimmte Internet-Angelegenheiten zu übertragen und sie zur führenden internationalen Organisation für Netzsicherheit zu machen. Doch die Itu ist eine geschlossene, undemokratische und langsam arbeitende Institution.
Seit Montag veranstaltet die Itu die 18. World Conference on International Telecommunication (WCIT) in Dubai. Dort sollen die International Telecommunication Regulations (ITRs) überarbeitet werden. Dabei handelt es sich um weltweit geltende Verträge für den Betrieb und die Abrechnung internationaler Telekommunikationsdienste, die allerdings 1988, noch vor dem Internet-Zeitalter, verabschiedet wurden.
Um auf die untransparente Arbeitsweise der Konferenz hinzuweisen und ihr etwas entgegenzusetzen, haben die amerikanischen Akademiker Jerry Brito und Eli Dourado die Website »WCITLeaks« (wcitleaks.org) gegründet, auf der sie eingesendete Dokumente zur Weltkonferenz veröffentlichen. Dort ist der Entwurf für die neuen Regeln öffentlich gemacht worden.
Die Forscher fassen zusammen: »Mehrere Vorschläge würden der Uno erstmals die Macht geben, unter dem Deckmantel des Schutzes vor Malware oder Spam Online-Inhalte zu regulieren. Russland und einige arabische Staaten fordern Möglichkeiten, um private Kommunikation wie E-Mails zu inspizieren. Russland und der Iran schlagen neue Regeln vor, den Internet-Verkehr an nationalen Grenzen zu messen und diesen so bezahlen zu lassen, wie etwa bei internationalen Telefonaten. (…) Ein weiterer Vorschlag würde der Uno Autorität über die Zuteilung von IP-Adressen geben. Damit soll die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann), die privatrechtliche Non-Profit-Organisation, die bis 2009 dem US-Handelsministerium unterstand, abgelöst werden.« Diese Vorschläge stoßen auf Widerstand. Die amerikanische Organisation Access (accessnow.org) hat eine Petition verfasst, die schon über 36 000 Unterschriften trägt: »Das Internet gehört uns allen – nicht Regierungen, und schon gar nicht der Itu. Wir fordern Sie auf, Ihre vorbereitenden Dokumente freizugeben, die Rolle der Nutzerinnen und Nutzer anzuerkennen, und alle Vorschläge abzulehnen, welche die Kontrolle über das Internet zentralisieren könnten«, lauten die Forderungen. Der Informatiker Vint Cerf, der auch als einer der »Väter des Internet« bekannt ist, wählte in der New York Times drastische Worte für die Vorschläge der WCIT: »Das offene Internet war noch nie so bedroht wie heute.« Medienmanager Gordon Crovitz befürchtete im Wall Street Journal, dass »autoritäre Regimes die Mehrheit der UN-Staaten lobbyieren, um mit ihnen zu stimmen«. Ziel dieser autoritären Staaten sei es, »eine obskure UN-Organisation zu übernehmen«. Als Beleg dient vor allem ein Zitat vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, der von einer »internationalen Kontrolle über das Internet« und den »Überwachungs- und Aufsichtsfunktionen« der Itu sprach. Auch der US-amerikanische Kongress geht gegen die Pläne der Itu vor. In einer Resolution wird gefordert, das »Modell der Multistakeholder Governance zu erhalten und weiterzuentwickeln, unter dem das Internet so erfolgreich geworden ist«.

Es ist kein Zufall, dass die Kritik vor allem aus den USA kommt. Dass die USA in diesem Bereich den Status Quo erhalten zu wollen, ist wenig verwunderlich angesichts der Tatsache, dass wichtige Institutionen der Internet Governance aus den USA stammen oder ihnen nahestehen, etwa die bereits erwähnte Icann, die zuständig für Top-Level-Domains und DNS-Root ist und in Kalifornien sitzt. Deren Unabhängigkeit beruht auf einem Vertrag mit dem US-Handelsministerium. Ebenfalls in Kalifornien sitzt die Internet Engineering Task Force (IETF), die zuständig für RFCs ist (die Abkürzung steht für »Request for Comments« und bezeichnet eine Reihe von technischen Vorschlägen und Richtlinien, welche die Organisation des Internet betreffen), und von der National Security Agency bezahlt wird. Die Internet Assigned Numbers Authority (Iana) ist eine weitere kalifornische Institution, die zuständig für die Zuordnung von IP-Adressen ist. Diese hat ihre Ursprünge im US-Verteidigungsministerium. Dass sich in anderen Staaten gegen diesen US-amerikanischen Einfluss in der Internet Governance Protest regt, wundert daher kaum. Die Praxis hat ja auch bereits Probleme offenbart, etwa als das US-Ministerium für Innere Sicherheit Domains beschlagnahmte, auf denen angeblich amerikanisches Copyright verletzt wurde.
Mit Gesetzen wie dem Stop Online Piracy Act (Sopa), dem Protect IP Act (Pipa) und dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta) soll oder sollte sogar direkt amerikanisches Recht auf den Rest der Welt übertragen werden. Obwohl die Top-Level-Domains ».com,« ».net« und ».org« eigentlich generisch sind, werden sie von amerikanischen Unternehmen wie VeriSign betrieben. Laut Sopa sollte deswegen dort auch amerikanisches Recht gelten. Diese Art von nationalen Regelungen sind mit dem globalen Internet jeodch nicht vereinbar.
So wie die Itu derzeit funktioniert, kann sie keine legitime Organisation für die Internet Governance werden. Die bisherigen diesbezüglichen Strukturen scheinen das kleinere Übel im Vergleich zu den Plänen der Itu zu sein, unbestritten ist jedoch, dass dringend neue Strukturen zu globalen Internet-Fragen notwendig sind. Dabei müssen alle Beteiligten eine Stimme haben. Neben den staatlichen Institutionen gilt das vor allem für nichtstaatliche und nichtkommerzielle Organisationen.