Applaus!

War 2012 ein guter Pop-Jahrgang? Zumindest kein schlechterer als die Jahre davor. Nach der Ernüchterung der frühen nuller Jahre hat man sich inzwischen daran gewöhnt, dass so viel nicht mehr vorangeht im Pop. Wir haben es längst akzeptiert, dass wir im Zeitalter der »Retromania« leben. Seltsamerweise hat sich ja nicht einmal Dubstep in diesem Jahr wirklich weiterentwickelt, was dann doch wieder ein wenig bedenklich wirkt. Und dennoch gab es auch dieses Jahr natürlich ein paar einmalige und sensationelle Alben. Vorneweg der 69jährige Scott Walker mit »Bish Bosch«. Aber so grandios diese Platte auch sein mag, man braucht wirklich eine spezielle und duldsame Stimmung, um diesen Höllentrip durchzustehen. Wirklich regelmäßig kann man sich dieser Platte nicht widmen. Da bleibt eigentlich nur Frank Oceans »Orange« als Kandidat für die Platte des Jahres, die man nicht oft genug hören kann, so gut ist sie. Dieses Meisterwerk des R&B ging jetzt nicht wirklich weiter als D’Angelo mit »Voodoo« schon vor ein paar Jahren, aber dass man »Orange« überhaupt mit »Voodoo« vergleichen kann, sagt schon alles über die Qualität dieser Platte. Wir hören hier R&B, der modernem HipHop so viel verdankt wie dem Autorensoul von Stevie Wonder. Nebenbei hat Frank Ocean, der Mann mit der Samtstimme, für den HipHop noch das geleistet, was im Fußball noch aussteht: Er hat durch sein Outing eine Debatte über das Schwulsein in einer hermetisch wirkenden Männer-Macho-Welt angestoßen. Seit Frank Ocean schaut man auf den HipHop, in dem man jetzt auch queer sein darf, mit etwas anderen Augen.

Frank Ocean: Orange ­(Universal)