Einmal kostenloses Probetragen, bitte!

Wenn die Pressesprecherin eines Unternehmens auf die Bitte um ein kurzes Interview mit der Aufforderung reagiert, ihr doch zunächst ein Exemplar der anfragenden Zeitung per Post zuzuschicken, dann wird kaum jemand vermuten, dass dieses Ansinnen aus dem vorigen Jahrhundert ausgerechnet von einem Unternehmen kommt, das als besonders internetaffin gilt. Dabei handelt es sich um die für Presse und Öffentlichkeit zuständige Stelle des Internetschuhversands Zalando, dem kürzlich in Berlin der »Marketingpreis 2012« verliehen wurde. Über die Preisverleihung im Kreis von Stars und Sternchen heißt es auf der Zalando-Homepage: »Kaviar-Gauche for Zalando-Collection«.
Von Kaviar können die Leiharbeiter, die die »Zalando-Collection« produzieren, nur träumen. Das ZDF hat im August 2012 recherchiert, dass sie in einem der Werke in Brandenburg mit einem Stundenlohn von sieben Euro oder gar mit einem unbezahlten »Schnupperpraktikum« vorliebnehmen müssen (Jungle World 32/12). Ob darin der Grund liegt, dass die Öffentlichkeitsabteilung auf eine Interviewanfrage reagiert, als wisse sie nicht, wie man eine Antwort-Mail schreibt, und komplett auf Tauchstation geht? Ob sie fürchtet, dass nachgefragt wird, ob die Produzenten der Schuhe nach der Preisverleihung nicht auch einen Happen vom Kaviar verdient hätten? Vielleicht mauert das Unternehmen auch, weil das Handelsblatt gerade eine Schwäche der Firma offengelegt hat. Der Umtausch von georderten Schuhen in großer Stückzahl könne die Erfolgsbilanz von Zalando verhageln. Schließlich drückt der Schuh erst beim Tragen, und ein Rückgaberecht ist gesetzlich festgeschrieben. Daraus könnte sich eine moderne, kreative Protestform entwickeln: Schuhe ordern, einmal probetragen, dann zurückschicken. Und dabei immer an die Leiharbeiter denken.