Linkes Fest!

Berlin Beatet Bestes. Folge 173. Saludos Musical con nuestros artistas: Felicidades ­Amigo! (1969).

Weihnachten ist gar nicht so schlimm. Klar, Weihnachtslieder können sehr schlimm sein. Ganz vorn auf meiner Hassliste stehen dabei »Last Christmas« von Wham! und »Do They Know It’s Christmas« von Band Aid. Allerdings gehe ich selten irgendwo hin, wo diese Lieder gespielt werden, also ist mir das egal. Wie sonst auch, tut es nur weh, wenn du zu nah dran bist. Zum Beispiel wenn deine schrecklichen Familienmitglieder, die sich alle gegenseitig nicht ausstehen können, Heiligabend zusammenkommen, um in die Kirche zu gehen, die sie sonst nie besuchen, um dort schreckliche langweilige Lieder singen, die sie nicht kennen, um sich danach zu Hause viel zu lange auf die Nerven zu gehen, um später gemeinsam zu spachteln, bis der Doktor kommt, um anschließend vor dem Weihnachtsbaum ­zusammen mit den schrecklichen, krakeelenden, kleinen Bälgern noch schrecklichere Lieder zu singen, bevor es endlich zum finalen gemeinsamen Geschenkrausch kommt.
Das kann tatsächlich ziemlich schlimm sein. Wer dagegen eine nette Familie hat, hat Glück. Dann ist Weihnachten vielleicht ganz schön, kann allerdings auch schon wieder so schrecklich gemütlich werden, dass die eine oder andere aus reinem Überdruss ­rebelliert. Dazu besteht allerdings kein Grund, denn viele stehen, wie ich, Weihnachten ohne Familie da. Meine Eltern sind schon lange tot und zum Rest meiner Familie habe ich keinen Kontakt. Aber zumindest war ich am 24. oder 25. Dezember immer bei den Eltern meiner Freundin eingeladen. Und meine Freundin hat mich auch immer beschenkt wie ein armes Waisenkind, das zu kurz gekommen ist. Danke, liebe Freundin. Ich kann mich über Weihnachten also nicht beschweren.
Interessant ist es, an eine Zeit und ein System zurückzudenken, in dem die christliche Tradition staatlicherseits bekämpft wurde. Bekämpft ist vielleicht zu viel gesagt, aber zumindest wurde versucht, den christlichen Ursprung des Weihnachtsfestes vergessen zu machen. In der DDR gelang das nie völlig und diese Schallplatte des kubanischen Labels Areito, eines Unterlabels des staatlichen Labels Egrem, bezeugt sogar, dass eine kommunistische Weihnacht möglich war. Auf der A-Seite richtet sich ein Sprecher in sechs Sprachen an die Zuhörer, natürlich auch auf Russisch und Deutsch: »Frohes Weihnachtfest! Aus Kuba, dem Land der Sonne und der Musik, sendet Egrem seinen Freunden in aller Welt Weihnachtsgrüße mit den Rhythmen und Melodien unserer Areito-Schallplatten.«. Auf der B-Seite werden die neuesten Hits der kubanischen Musikszene der Jahreswende 1969/70 angesagt und kurz angespielt, mit dabei Lourdes Gil, Elena Burke und Pacho Alonso. Seltsam viel Mühe hat die Firma sich mit der Gestaltung gegeben, zumindest wenn man bedenkt, dass es eine kommerzielle kommunistische Weihnachtsplatte ist. Lange vor dem Buena Vista Social Club wurde hier offensichtlich munter unter der Sonne getanzt.