Die Druckerei der Jungle World macht dicht. Ein Besuch in Frankfurt

Wenn die Presse stillsteht

Die bisherige Druckerei der Jungle World macht dicht. Damit geht zugleich auch ein Kapitel linker Pressegeschichte zu Ende. Ein Abschiedsbesuch bei Caro-Druck in Frankfurt.

Die Jungle World Nr. 49/2012 flitzt auf meterbreiten Bändern durch die Maschinenhalle, rotiert um unzählige Umlenkrollen durch schrankhohe Aggregate, aus denen grell leuchtende Farbe trieft, holt sich für ihre Bilder da Gelb, hier Magenta ab, saust dann über scharfe Klingen und wandert, in Streifen aufgeschnitten, in den unteren Bereich der »Solna D 380«, aus der am Ende die Stapel gedruckter, geschnittener und säuberlich gefalteter Zeitungen vom Fließband laufen. Peter nimmt ein Exemplar vom Band, schlägt es auf und prüft, ob die Farben stimmen. »Wenn die Maschine wärmer wird, muss man aufpassen«, erklärt der Drucker. Sein nächster Satz wird übertönt vom Lärm der Presse.
Kurz darauf steht die Maschine still. »Sind ja nicht so viele, das ist schnell durch«, sagt Peter. »Aber so wenige sind das auch nicht«, fügt er fast beschwichtigend hinzu, als wollte er sagen: An euch liegt es nicht, dass hier bald für immer Schluss ist. »Die Jungle World machen wir schon ewig, und ein paar Mal drucken wir die ja noch.« Mit einer Stirnlampe kriecht er ins Innere der Maschine, auch wenn zum Jahresende hier alles vorbei ist. »Da ist was kaputt, das man reparieren muss. Wir machen weiter bis zum Schluss.« Zu erklären, warum das Unternehmen Caro-Druck dichtmacht, überlässt er seinem Chef Klaus Sutor: »Der da ganz in Schwarz mit dem grauen Rauschebart.«

Sutor lädt in die Büroräume, nebenan befinden sich die Computerarbeitsplätze der Druck-Vorstufe. Bei einer Roth-Händle erzählt er die Geschichte seiner Druckerei. Es fing an mit dem SDS Heidelberg. Das Internet verrät, dass der sich 1968 bescheinigte, ihm stelle sich »jetzt konkret die Frage der Organisation dieser Massen«. Er müsse »praktische Möglichkeiten finden, wie diese Massen zum festen Kern einer zukünftigen breiten revolutionären Organisation werden können«. Weil es damals kein Internet gab und die Produktionsmittel zur Massenagitation in den Händen des Kapitals lagen, war klar: Eine eigene Druckerpresse musste her. Caro-Druck war so gut wie geboren. Dann wurde der Heidelberger SDS verboten. »Die waren zu frech«, sagt Sutor. Die Druckpresse wurde »unbescholtenen Bürgern« übergeben, um nicht konfisziert zu werden, stand aber alsbald wieder im Dienste revolutionärer Massenaufklärung: für die »Gruppe Neues Rotes Forum«, dann für den Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW). »Jede kommunistische Organisation musste ihre Zeitung haben«, sagt Sutor, ohne Aufklärungsorgan keine Revolution. KVZ hieß das Blatt des KBW: »Kommunistische Volkszeitung«. Rund 25 000 Exemplare soll die erste Auflage stark gewesen sein. »16 Seiten schwarz und schön«, sagt Sutor. »Damals war klar, Information braucht keine Farbe.«

Auch später wurden bei Caro zahlreiche linke Zeitungen und Zeitschriften gedruckt, die Graswurzel-Revolution, die Direkte Aktion, von der Taz, die seit mehr als 28 Jahren bei Caro gedruckt wird, bis zu diversen Szene-Blättchen. Aber obwohl Caro-Druck im Impressum zahlreicher sozialistischer Publikationen steht, die stets die Nähe zum Arbeiter suchten, finden sich kaum Beiträge über diejenigen, die in der Vorstufe oder an der Rotationspresse jahrzehntelang dafür sorgten, dass linke Debatten überhaupt zirkulieren konnten. So wird auch das Ende der über 40jährigen Geschichte der Druckerei bislang nur wenig zur Kenntnis genommen. Im Vergleich mit den vielen öffentlichen Solidaritätsbekundungen für die Redaktionen derzeit eingestellter Zeitungen sind die für die bald arbeitslosen Drucker von Caro-Druck bislang rar.
Das liegt aber auch daran, dass sich das Ende der Druckerei leise vollzieht. Von einer »Pleite« will Sutor nicht reden. »Wir ziehen uns geordnet aus dem Geschäftsleben zurück.« Infolge einer »Investition, die sich nicht gut in unsere Bedürfnisse integriert hat«, sei das Unternehmen unter Druck geraten. »Wir haben schwere Jahre hinter uns«, sagt er. Er wirkt, als sei der im Sommer gefällte Beschluss, die Sache sein zu lassen, eine Befreiung gewesen. Die Insolvenz zu vermeiden, erlaube immerhin ein »selbstbestimmtes Ende«, sagt Sutor. Er und Gertrud Schumann, die sich bei Caro unter anderem gemeinsam mit Jutta Deny und Horst Bauer um die Jungle World gekümmert hat, sind nicht zum Jammern aufgelegt: Solidarität einzufordern, das Ende ihrer Druckerei zur Gefahr für das linke Publikationswesen oder gar die Demokratie zu erklären, fiele ihnen im Gegensatz zu den Redakteuren der Frankfurter Rundschau wohl nicht mal im Traum ein.

Mit dem Zeitungssterben will Sutor die Schließung auch gar nicht in Verbindung bringen. »An das Zeitungssterben glaube ich nicht so sehr. Da geht es eher um Verlagsinteressen – der Bedarf der Leser besteht weiterhin«, meint er. Zwar sei das »Publikationswesen in der linken Bewegung« mittlerweile deutlich zurückgegangen, aber darauf will er das Ende von Caro nicht schieben. Nur mit linken Publikationen habe man eine Druckerei ohnehin nie halten können. »Wir haben deshalb schon von Anfang an auch Prospekte gedruckt«, sagt er. Aber über die Werbezeitschriften, die Caro bisher das Überleben sicherten, spricht Sutor nicht so gerne. »Es gab aber schon Sachen, die wir nicht gemacht haben«, sagt Schumann. Etwa NPD-Werbung oder wenig prüde Kontaktanzeigen, bei denen die Kollegen aus der Vorstufe protestiert hätten. »Die standen dann da und haben gesagt: Das machen wir nicht.«
Dass es mit Caro nicht weitergehen kann, liegt Sutor zufolge vor allem daran, dass große Druckereien mittlerweile dank des technologischen Fortschritts flexibler seien und auch kleine Aufträge bedienen könnten. »Auflagen, die die Großen früher nicht angefasst hätten, werden nun von ihnen übernommen« – zu Preisen, bei denen Druckereien wie Caro nicht mithalten können. »Bestehende Objekte« seien zudem an ihre Druckereien sehr gebunden, sagt er. Neue Aufträge zu übernehmen, bedeute meist Investitionsbedarf. Und damit Risiko. Kredite seien für Druckereien ohnehin kaum zu bekommen, zu schlecht sei das Rating. »Ich bin schon etwas älter, ich kann das nicht mehr machen«, sagt Sutor, der dem Unternehmen seit 1972 angehört. Und warum findet sich kein Nachfolger? Die Druckbranche ist in einer schwierigen Lage. Auch aus anderen Druckereien hört man, dass Kredite nicht verlängert werden. Schlechte Aussichten, um den Betrieb so zu modernisieren, dass er mit größeren Unternehmen mithalten kann. Interesse an Caro-Druck hätten nur Unternehmen gezeigt, die den Laden früher oder später dicht gemacht hätten, sagt Schumann. »Die hätten dann Aufträge übernommen und sie zu sich ins Haus geholt.« Das hätte den rund 30 Beschäftigten von Caro wohl auch nicht weitergeholfen.

Die Belegschaft hat auf die Nachricht der bevorstehenden Schließung offenbar nicht mit wütenden Protesten reagiert. »Es hätte ja sein können, dass die Stimmung und die Motivation erheblich in den Keller gehen«, sagt Sutor. »Aber das ist nicht passiert.«
Dabei wissen die meisten nicht, wie es nach der Schließung weitergehen soll. »Natürlich hoffe ich, wieder im Druckereibereich etwas zu finden«, sagt Peter, während er sich mit einem Schraubenschlüssel zwischen Maschinenteile zwängt. Leicht wird die Arbeitssuche nicht. Das Ende der Frankfurter Rundschau wird in der Region einige Drucker zur Arbeitssuche zwingen. Auch Gertrud Schumann weiß noch nicht, wo sie nach der Schließung unterkommen soll. Aber noch sei es nicht so weit. »Wir machen am 30. Dezember erst mal noch eine große öffentliche Abschieds­party«, sagt sie. Und bis dahin mache man weiter wie bisher.