Die griechische Regierung findet linke Squats so bedrohlich wie rechte Gewalt

Friede den Palästen, Krieg der Villa

In Griechenland herrscht soziales Elend und die Faschisten erstarken. Die Regierung will gegen »Destabilisierung« von links und rechts vorgehen.

Neue Steuern in der Landwirtschaft und auf Landbesitz, um 40 Prozent gestiegene Strompreise ab dem 1. Januar und die Privatisierung von Staatseigentum sind nur einige wenige der neuen Sparmaßnahmen. Diese wirken sich bereits auf die griechische Gesellschaft aus. Feiertage gab es für die meisten Griechinnen und Griechen anscheinend nicht, Athen sah während der diesjährigen Weihnachtstage nicht aus wie andere europäische Städte: Die Stimmung bleibt gespannt und elend.

In der von sozialem Unmut, Rekordarbeitslosenzahlen, Rassismus und Sparmaßnahmen geprägten griechischen Gesellschaft ist die Neonazi-Partei Chrysi Avgi inzwischen die drittstärkste unter den griechischen Parteien und würde der Wahlumfrage vom Dezember zufolge nun auf mehr als elf Prozent der Stimmen kommen, während die Zustimmungswerte der sozialdemokratischen Pasok unter der neuen Führung weiter sinken. Das war vielleicht der Hauptgrund dafür, dass Pasok eine große Mobilisierung gegen Chrysi Avgi initiierte. Die Sozialdemokraten versuchen, das Vertrauen ihrer traditionellen Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, die zur sozialistischen Syriza abgewandert sind.
Die meisten Abgeordneten des griechischen Parlaments drückten ihre Besorgnis über die Erfolge von Chrysi Avgi und die rassistische Gewalt aus. Nun wird über ein Verbot der Partei diskutiert, aber es bleibt fraglich, ob die staatlichen Autoritäten, die jahrelang diese Gruppe gegen soziale Aufstände in Griechenland »bewaffnet« haben, sich tatsächlich dafür entscheiden.
Wahrscheinlich der deutlichste Ausdruck dafür, wie heuchlerisch die Diskussion im Parlament um ein Verbot von Chrysi Avgi ist, ist das tägliche Elend auf Griechenlands Straßen. Die Neonazis bleiben einflussreich und gewalttätig, ihre neue Strategie ist nun, ihre Kampagne auszudehnen. Im ganzen Land veranstalten Mitglieder der Chrysi Avgi Märsche in Militäruniformen, verteilen Lebensmittel »nur für Griechen« und organisieren »Griechische Jobcenter«, wo griechische Unternehmer zwischen 15 und 20 Euro Tageslohn anbieten. Abgesehen von ihrem »Nazihumanismus« ist Chrysi Avgi verantwortlich für zahlreiche rassistische Übergriffe der vergangenen Wochen. Die neue Polizeiabteilung, die vom Ministerium für Bürgerschutz gegen rassistische Gewalt eingerichtet wurde, ist offenbar ein weiteres Fiasko der Regierung. In den meisten Fällen schützt und unterstützt die Polizei offen die Neonazis, vor allem bei antifaschistischen Gegendemonstrationen. Aus dem ganzen Land liegen zahlreiche Berichte vor, dass Antifaschisten und Anwohner inhaftiert wurden, als sie versuchten, gegen Neonazis zu demonstrieren. Wenn Rechte mit Gewalt gegen Minderheiten, Migranten oder Linke vorgehen, werden sie hingegen in den seltensten Fällen verhaftet.

Ministerpräsident Antonis Samaras von der konservativen Nea Dimokratia zufolge muss die Regierung Besetzungen, Aufstände und diejenigen bekämpfen, die versuchten, die Demokratie von links oder von rechts zu »destabilisieren«. Unter der Koalition der drei Regierungsparteien wurden viele besetzte Häuser in Athen und Thessaloniki geräumt. Der Grund dafür ist klar: Eine Gesellschaft der Kontrolle und ein moderner Staat der Repression sollen verhindern, dass es in Griechenland wieder zu Riots wie im Dezember 2008 kommt. Nach weniger bekannten besetzten Häusern war nun die Villa Amalias in Athen dran. Am frühen Morgen des 20. Dezember räumte die Aufstandsbekämpfungspolizei die seit 22 Jahren besetzte Villa und verhaftete acht Personen. Tage später standen die Polizisten immer noch um das Gebäude herum.

Die Villa Amalias war eines der ältesten autonomen besetzten Häuser in Europa, fast täglich fanden dort Konzerte, Theateraufführungen und politische Diskussionen statt. Mehrmals verübten Neonazis Anschläge mit Tränengasbomben und Molotow-Cocktails, auch der Staat ging bereits öfter repressiv gegen die Einrichtung vor. Für zwei Generationen von Anarchisten und Jugendlichen war die Villa Amalias ein wichtiger Ort des Widerstands gegen Gentrifizierung und Faschismus. In ihrer Nachbarschaft leben viele Migranten und das Viertel grenzt an eine Gegend, in der Chrysi Avgi sehr aktiv ist. Unter Anarchisten und Linken herrscht die Meinung vor, dass die Villa und die von ihr ausgehenden antifaschistischen Aktivitäten einer der Hauptgründe dafür waren, dass die Neonazis ihren Einflussbereich in dieser Gegend noch nicht ausdehnen konnten.
Der Polizei zufolge erfolgte die Räumung nach einem anonymen Hinweis, dass im Haus Drogenhandel betrieben werde. Die Polizei fand aber weder große Mengen an Drogen noch Bargeld, sondern nur ein wenig Marihuana, 1 200 leere Bierflaschen und einen Behälter mit brennbarer Flüssigkeit. In der Villa Amalias fanden Konzerte mit über tausend Besuchern und Vokü-Abende statt, an denen Bier konsumiert wurde. Die brennbare Flüssigkeit ist Heizöl für den Ölofen auf dem Grundstück. Den acht Festgenommenen wird dennoch vorgeworfen, Material zur Herstellung von Molotow-Cocktails besessen zu haben.
Die Massenmedien haben ebenfalls eine Kampagne gegen die Villa begonnen und verwenden dabei oft die Bezeichnungen »Terroristen und Kriminelle«, gemäß des neuen Dogmas der »zwei Extreme«. Ihnen zufolge solle sich die Regierung um diese »Extreme« und die sozialen Verwerfungen kümmern. In Griechenland kann man Menschen treffen, die der Überzeugung sind, dass ein faschistisches Regime gar nicht mehr nötig sei, weil bereits eine moderne Diktatur der Repression und Intoleranz herrsche. Aber die Strategie des griechischen Staates ist vermutlich die falsche, denn der soziale Unmut wird sich wieder auf den Straßen äußern.