Gemeinde der Opfer

Mitte Dezember stellte der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) ein Dossier über die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vor. Scharf kritisiert werden darin das Versagen der Ermittlungsbehörden und die zwielichtige Rolle des Verfassungsschutzes – völlig zu Recht. Dann allerdings kommt der KRM zur Sache: Die Morde verdeutlichten die wachsende Islamfeindschaft in Deutschland, weshalb endlich »muslimfeindliche Straftaten« als »eigenständiger Tatbestand« gewertet werden müssten, denn »Islamfeindlichkeit« könne nicht unter »Fremdenfeindlichkeit« subsumiert werden. Dieser Lesart zufolge waren die Nazikiller vor allem eine islamophobe Vereinigung, die Opfer, zu denen auch ein Grieche gehörte, werden im Dossier fast durchgängig als »muslimische Mitbürger« bezeichnet. Bislang ist nicht bekannt, dass der NSU von einer spezifischen Abneigung gegen den Islam angetrieben worden wäre, und keines der Opfer scheint ein besonders gläubiger Muslim gewesen zu sein. Das hindert den KRM nicht, die Mordserie als islamophob motiviert zu bezeichnen und im Islam das eigentliche Opfer zu sehen. Imam Erol Pürlü, der Sprecher des KRM, forderte, fortan sollten Begriffe wie »Islamismus« oder »islamischer Terrorismus« keine offizielle Verwendung mehr finden, da sie pauschal die Glaubensgemeinschaft der Muslime bzw. den Islam diskriminierten. Indem der KRM so jeden, der in erster, zweiter oder dritter Generation aus einem Land mit islamischer Mehrheitsbevölkerung abstammt, zum Muslim erklärt, überträgt er sich nahezu unwidersprochen das Mandat, im Namen dieses von ihm definierten Kollektivs zu agieren. Schlagen Nazis Vietnamesen oder Schwarzafrikaner tot, handelt es sich um eine rassistische Tat, sind die Opfer aber Menschen aus der Türkei, Marokko oder Pakistan, kommt erschwerend Islamophobie hinzu, der nur mit mehr Dialog mit den Muslimverbänden und Zugeständnissen an ihre Forderungen zu begegnen ist.