Gepimpte Wahrheiten

Trolle, Mobber, Stalker – dass das Internet nicht nur von netten Menschen bewohnt wird, die sich pausenlos an den unendlichen Bildungsmöglichkeiten und den vielen Gelegenheiten erfreuen, sich mit Menschen aus weit entfernten Ländern zum kreativen Austausch zu treffen, ist mittlerweile hinreichend bekannt.
Von »Münchhausen by Internet«, einer Sonderform des Münchhausen-Syndroms, dürften allerdings selbst Menschen, die sich regelmäßig in Foren und sozialen Netzwerken aufhalten, kaum je gehört haben. Das liegt nicht nur daran, dass diese psychische Erkankung bislang noch nicht wirklich erforscht ist, sondern auch am Umstand, dass sie hauptsächlich an Orten auftritt und diskutiert wird, die der gesunde Internet-Nutzer kaum je besucht: Selbsthilfe-Boards, auf denen beispielsweise Krebskranke Rat, Hilfe und Zuspruch erhalten.
Menschen, die an Münchhausen by Internet leiden, suchen sich genau diese Foren gezielt aus, um dort dann mit ihren erfundenen Geschichten über tödliche Erkrankungen zu punkten. Das nötige Wissen holen sie sich aus Ratgebern und Fallbeschreibungen.
Einfach zu heilen seien an Münchhausen-by-Internet-Leidende nicht, hat ein Psychiater von der University of Alabama festgestellt. Mit den Auswirkungen der Phantasiegeschichten beschäftigen sich in den USA bereits Blogs, auf denen Selbsthilfegruppen vor Münchhausen-Fällen warnen. Und auf denen krasse Geschichten publiziert werden: Eine Krebskranke verzichtete etwa auf den letzten Besuch bei ihrem im Sterben liegenden Großvater, um einer jungen Frau beizustehen. Die Frau hat Münchhausen – nachdem sie aufgeflogen war, wechselte sie das Forum und machte in einer anderen Selbsthilfegruppe als Schwerkranke weiter.