Die gleichgeschlechtliche Ehe hat in Frankreich eifrige Gegner

Viel Lärm ums Jawort

Ende Januar soll im französischen Parlament ein Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe debattiert werden. Christliche Fundamentalisten und andere Rechte demonstrieren in ganz Frankreich dagegen.

»Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«: Es wäre den christlichen Kirchen in Frankreich sehr recht, wenn ihre Anhänger diese biblische Aufforderung in nächster Zeit nicht allzu wörtlich nähmen. Teile des Klerus und seiner profanen Parteigänger wollen es nicht dabei bewenden lassen, für eine korrekte heterosexuelle Auslegung der Bibel zu sorgen. Es zieht sie auch auf die Straße, nachdem die sozialdemokratisch-grüne Regierung in Frankreich nun ernsthaft daran geht, Eheschlüsse von homosexuellen Paaren zu erlauben. Am 29. Januar soll der Gesetzesentwurf dazu ins Parlament eingebracht werden.
Der Einspruch der rechtskatholischen Abgeordneten Christine Boutin blieb ungehört. Die frühere Präsidentschaftskandidatin und Wohnungsbauministerin unter Nicolas Sarkozy erklärte am 24. Dezember im Fernsehen, die Frage stelle sich doch gar nicht, denn die Homosexuellen könnten ja bereits längst heiraten. »Nur nicht untereinander«, fügte die Dame schelmisch hinzu.

Am 28. Dezember wurde bekannt, dass der oberste Leiter der 8300 katholischen Privatschulen in Frankreich, Eric de Labarre, seine Untergebenen zum Protest gegen die »Ehe für alle« – so der offizielle Titel des Regierungsvorhabens – aufruft. Überall in den Bildungseinrichtungen des sogenannten freien Schulwesens soll das Gesetzesvorhaben debattiert werden. Dabei gehe es darum, so de Labarre, dass »das Recht auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter« anerkannt werde.
Das konfessionelle, überwiegend katholische Privatschulwesen bildet im offiziell laizistischen Frankreich circa ein Fünftel der Heranwachsenden aus. Im Gegensatz zu öffentlichen Schulen sind die katholischen Privatschulen nicht kostenlos. Theoretisch dürfte es so etwas in einem laizistischen Staat gar nicht geben. Doch 1984 scheiterte die damalige sozialistisch-kommunistische Koalitionsregierung, als sie versuchte, die Privilegien der katholischen Privatschulen einzuschränken. Als die von der Regierungsbilanz enttäuschte und desillusionierte Linke auf der Straße und in den Betrieben in die Defensive geraten war, besetzte die politische Rechte zum ersten Mal seit Juni 1968 massenhaft die Straße. Rund zwei Millionen Menschen demonstrierten im Frühjahr 1984 »für die freie Schule«. Politiker der bürgerlichen und der neofaschistischen Rechten liefen vorneweg.
Ein solche Aktion zu wiederholen, davon träumen Rechte aller Schattierungen im Augenblick. Noch ist es nicht so weit, dass sie dazu in der Lage wären. Am 17. und 18. November fanden erste größere Demonstrationen gegen die »Ehe für alle« statt (Jungle World 49/2012). An den Protesten beteiligten sich in ganz Frankreich rund 200 000 Menschen. Aufgrufen hatte ein relativ breites Bündnis unter Führung der als leicht verrückt geltenden katholischen Komikerin »Frigide Barjot« – das Pseudonym bedeutet ungefähr »Frigide Bescheuert« und persifliert den Namen Brigitte Bardot. Das Bündnis legte Wert darauf, nicht homophob zu sein. Die Mehrheit der Demonstranten bestand aus Mitgliedern von Kirchengemeinden sowie bürgerlichen Rechten. Zahlreiche Abgeordnete der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP, der stärksten Oppositionspartei, nahmen teil.
Am zweiten Tag demonstrierten offen antidemokratische, reaktionäre bis faschistische Kräfte. Dem Aufruf des katholisch-fundamentalistischen »Institut Civitas«, das Ende 2011 mit spektakulären Aktionen gegen missliebige Theaterstücke von sich reden machte (Jungle World 17/2011), folgten knapp 10 000 Menschen. Neben homophoben wurden an diesem Tag auch nationalistische und bevölkerungspolitische Parolen wie »Frankreich braucht mehr Kinder, keine Homos« gegen die gleichgeschlechtliche Ehe vorgetragen.

Bei der Vorbereitung der Demonstrationen vom 13. Januar zeigt sich eine andere Konstellation. Zu ihnen rufen bislang sowohl die UMP als auch das »Institut Civitas« auf. Die Parteivorsitzende des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, zögert bisher, zu einer Teilnahme aufzurufen. Einerseits möchte sie die Bemühungen um »Modernisierung« und »Entdämonisierung« im Erscheinungsbild ihrer Partei, die sich auch verstärkt um Wählerinnen und jüngere Menschen bemühen soll, nicht ruinieren. Zum anderen will Le Pen nicht den Eindruck erwecken, sie laufe Initiativen der großen Konkurrentin UMP hinterher. Jean-François Copé, der Parteivorsitzende der UMP, rief hingegen bereits vor längerer Zeit zu den Demonstrationen auf.
Im FN ist die zögerliche Haltung Le Pens allerdings umstritten. Ihr Stellvertreter Louis Aliot etwa wartet nicht ab, sondern ruft persönlich zur Teilnahme auf. Bislang galt er als Vertreter einer »in sittlichen Fragen unverkrampften« Generation, da der promovierte Staatsrechtler ohne Trauschein mit der zweifach geschiedenen Le Pen zusammenlebt. Ende November hatte er bereits auf Nachfrage, ob er die Gewalt am Rande der Demonstration des »Institut Civitas« anderthalb Wochen zuvor verurteile, erklärt: »Nein. Ich verurteile diejenigen, die diese Demonstration attackiert haben.« Der rechtsextreme Aufmarsch war jedoch zu keinem Zeitpunkt mit Gewalt angegriffen worden, sondern nur Ziel symbolisch-satirischer Störaktionen gewesen. Die beteiligten Frauen wurden angegriffen und zum Teil erheblich verletzt.

Am 26. Januar wollen dann die Befürworterinnen und Befürworter der »Ehe für alle« demonstrieren. Zum ersten Mal waren sie in mehreren Städten am 16. Dezember auf die Straße gegangen. In Paris waren es damals rund 60 000 Menschen. Auf Plakaten bekannten sich viele Demonstrierende als »solidarische Heterosexuelle«, während Tausende homosexuelle Paare, teils mit Kindern im Zentrum der Demonstration liefen. Satirisch fragten viele auf Schildern die Homophoben: »Bin ich etwa bei Eurer Hochzeit um meine Meinung gefragt worden?« Ein Demonstrant bekundete sarkastisch: »Auch ich will Unterhaltszahlungen – Scheidungsrecht für alle!« Ein älteres heterosexuelles Paar proklamierte: »Unsere 45 Ehejahre werden durch Eure Hochzeitspläne nicht gefährdet!«
Noch sind einige Punkte des künftigen Gesetzes ungeklärt. Etwa, ob auch das Adoptionsrecht oder das Recht auf künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare anerkannt werden. Präsident François Hollande ist dagegen. Allerdings war der notorisch konsenssüchtige Politiker persönlich ohnehin gegen den ganzen Gesetzesentwurf. Er war jedoch durch seine Partei und später durch die Parlamentsmehrheit dazu genötigt worden, sich des Themas anzunehmen, um wenigstens eine progressive Reform im Programm zu haben, nachdem das Thema Ausländerwahlrecht auf die lange Bank geschoben worden war. Nun sollen die Abgeordneten über die noch offenen Fragen entscheiden, wie Hollande ankündigte: »Das Parlament ist souverän.«
Die französische Öffentlichkeit ist gespalten, laut einer jüngsten Umfrage waren 58 Prozent der Befragten für die »Ehe für alle«. Allerdings sind besonders die Katholiken bei dem Thema so aktionsbereit wie bei kaum einem anderen, geht es doch in ihren Augen darum, ein »Sakrament« anzutasten. Der Konflikt dürfte also vorläufig nicht beigelegt werden. Rechte aller Couleur werden den Konflikt nutzen, um in der Opposition neue Kräfte zu finden.