Wie deutsche und iranische Firmen das Wirtschaftsembargo umgehen

Wo der Baukran leise quietscht

Die EU hat die Wirtschaftssanktionen ­gegen den Iran im Juli noch einmal verschärft. Mit dem Ölembargo wurde auch ein Verbot von Finanztransfers an den Iran verhängt. Dennoch gibt es nach wie vor viele deutsche Unternehmen, die mit dem Iran Handel treiben. Einige davon überschreiten dabei auch Grenzen.

Die Nummer 30 599 im Handelsregister Düsseldorf gehört der Iran Khodro Group of Companies (IKCO Trading GmbH), einem iranischen Unternehmen mit Sitz in der Kaiserswerther Straße. Der Jahresumsatz betrug 2011 eine viertel Million Euro. Hauptgesellschafter ist die Iran Khodro AG. Das Geschäftsfeld beider Unternehmen ist nach eigenen Angaben der »Im- und Export sowie der Handel von und mit Waren aller Art, insbesondere Anlagen, Materialien und Bauteilen zur Herstellung und Wartung von Personenkraftwagen und Autobussen«. Nichts Aufregendes, fast will man das Dokument schon wieder beiseite legen. Wäre da nicht dieser eine Name, ganz am Ende des Ausdrucks: IDRO.
Um zu verstehen, was dieser Name bedeutet, muss ein weiterer Papierstapel zu Rate gezogen werden. Die leserfreundliche Embargoverordnung 267/2012 der Europäischen Union umfasst 143 Seiten. Um auf den Namen der iranischen Industrial, Development and Renovation Organisation (IDRO) zu stoßen, muss der Leser bis Seite 95 vordringen. Dort steht, dass es sich bei der genannten Organisation um eine Körperschaft der iranischen Regierung handelt, die damit betraut ist, die Industrialisierung voranzutreiben. Zur IDRO gehören nach Angaben der Verordnung auch verschiedene Unternehmen iranischer Nuklear- und Raketentechnik. Der Mehranteilseigner (56,6 Prozent) von Iran Khodro taucht sowohl auf der Wirtschaftssanktionsliste der EU als auch auf der der USA auf. Geschäftsbeziehungen mit der IDRO oder einer der Tochterfirmen zu unterhalten, ist verboten. Trotzdem existiert diese Verbindung nach Düsseldorf. Nachzulesen für jeden, der sich Zeit nimmt, das Handelsregister zu durchforsten und die darin vermerkten Namen zu überprüfen. Der Fall der IKCO Trading GmbH ist ein Beispiel dafür, wie deutsche Firmen die Sanktionen gegen den Iran zu umgehen versuchen, unbehelligt von jeder Strafverfolgung.

Grundsätzlich sind Geschäfte mit dem Iran in Deutschland nicht illegal. Das in der EU geltende Embargo ist kein Totalboykott, sondern konzen­triert sich auf die Bereiche Petrochemie, Militär, Waffentechnik und Hochtechnologie. Ausgenommen sind unter anderem Medikamenten- und Nahrungsmittellieferungen. Außerdem existiert eine separate Liste von Personen und Organisationen, mit denen unter keinen Umständen Handel betrieben werden darf. Darauf findet sich auch die IDRO. So soll die atomare Bewaffnung des Iran verhindert werden, damit eine militärische Intervention nicht notwendig wird. Die EU zielt dabei nicht zwingend auf einen regime change ab, anders als die USA. Dort werden die Sanktionen auch als Mittel gesehen, die totalitäre iranische Regierung zu Fall zu bringen. Das US-amerikanische Sanktionsregime ist streng: Wer mit den USA Geschäfte machen will, darf keine Verträge mit dem Iran abschließen, ganz gleich, um welche Güter es sich handelt. In der EU gibt es solche Regelungen noch nicht. »Seit dem 1. Juli 2012 ist das Ölembargo in der Europäischen Union in Kraft getreten. Doch gibt es noch zu viele Schlupflöcher, in die Unternehmen hineinstoßen, um Handel mit dem Iran zu betreiben«, sagt Sebastian Mohr von der Kampagne »Stop the Bomb«.
Ruft man bei IKCO Trading an, erklärt eine freundliche Dame, ein Gespräch mit der Presse über Geschäftspartner und Anteilseigner liege nicht im Interesse der Geschäftsführung. Auch bei Ascotec, einer Düsseldorfer Stahlfirma, die laut »Stop the Bomb« eine Tochtergesellschaft der iranischen Organisation für Aufbau und Umrüstung der Minenindustrie (IMIDRO) ist, war niemand zu einer telefonischen Auskunft bereit.
Es sind aber nicht nur solche Verbindungen von Deutschland in den Iran, mit denen die Sanktionen umgangen werden. Es existiert eine Vielzahl deutscher Unternehmen, die behaupten, ihre Geschäfte hätten nichts mit den sanktionierten Wirtschaftsbereichen zu tun, würden aber durch das Verbot direkter Überweisungen in den Iran erheblich behindert. Damit schädigten die Sanktionen nicht nur das iranische Regime, sondern auch deutsche Unternehmen. Die deutsch-iranische Journalistin Saba Farzan gibt solchen Kritikern zu bedenken, dass es unter einem Regime wie dem iranischen kaum »harmlose Industriegüter« geben kann. »Das ist eine Diktatur, die selbst einen Baukran zu einem Mittel verändern kann, um unschuldige Iraner auf der Straße aufzuhängen.« Das Argument der Unternehmer ist schwach: Nach Hochrechnungen der Deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft, »Germany Trade and Invest«, liegt die Handelsbilanz mit dem Iran im Zeitraum 2009 bis 2011 konstant bei etwa 0,3 Prozent. Angesichts eines so geringen Ausfuhrvolumens kann von einer Schädigung der deutschen Wirtschaft durch das Embargo kaum die Rede sein.

Von der deutsch-iranischen Handelskammer wird das anders beurteilt. Das Vorstandsmitglied Michael Tockuss bemängelt, dass die Sanktionen auf Bereiche ausgeweitet worden seien, die mit dem »ursprünglichen Ziel« nichts mehr zu tun hätten. Außerdem sei »zu beobachten, dass durch die Sanktionen weite Teile der iranischen Zivilgesellschaft getroffen werden«. Diese Kritik wiegt schwer, nicht zuletzt deshalb, weil Fälle bekannt wurden, in denen iranische Kinder wegen unzureichender Medikamentenversorgung starben. Die Schuld dafür liege aber nicht bei der Weltgemeinschaft, meint Farzan, sondern beim iranischen Regime. »Es ist so, dass das Regime, um die Bevölkerung leiden zu lassen, darauf verzichtet, diese Medikamente mit Hilfe der Ausnahmeregelung in den Iran einzuführen. Das iranische Volk weiß auch, dass es das erste Opfer sein wird, wenn es nicht gelingt, die atomare Bewaffnung des Regimes zu verhindern.«
Firmen wie IKCO Trading und Ascotec sind eine Sache. Was Sanktionsverstöße angeht, sind aber noch viel bedeutendere Namen im Gespräch. Nach den britischen Banken HSBC und Standard Chartered, die bereits Strafen an die USA zahlen mussten, weil sie das Finanzembargo missachtet haben, steht auch die Deutsche Bank im Verdacht, Finanztransfers an iranische Unternehmen gewährleistet zu haben. Daneben werden auch anachronistische Zahlungsweisen wieder zum Leben erweckt. Etwa die Praxis, Koffer voller Bargeld in den Iran einzufliegen.
»Barzahlungen iranischer Kunden für bestimmte Einkäufe sind keine Umgehung von Sanktionen«, betont Tockuss, »sondern eher eine Reaktion auf die Überreaktion der Banken«. Ein anderer Weg, den Firmen beschreiten, sind Überweisungen über Drittländer, etwa die Türkei oder Aserbaidschan. Wenn die Sanktionen Wirkung entfalten sollen, müssten diese Wege geschlossen werden, fordert deshalb Saba Farzan: »Wir müssen dazu übergehen, auch asiatische und andere Firmen in der Welt, die Handel mit dem Iran betreiben, zu sanktionieren. Damit nicht andere Akteure einspringen können, um diese Geschäfte zu übernehmen.«
Sebastian Mohr sagt: »Es geht darum, eine Art globales Sanktionsregime aufzubauen. Sollte das iranische Regime nicht einlenken, muss ein komplettes Handelsembargo mit humanitären Ausnahmeregelungen in die Wege geleitet werden.« Um das zu erreichen, müsste gegen Firmen wie IKCO Trading vorgegangen werden.

Ein interessantes Detail sind die Sanktionsseminare der deutsch-iranischen Handelskammer in Hamburg. Diese haben Tockuss zufolge die Aufgabe, deutsche und europäische Unternehmen über jüngste Entwicklungen der Sanktionsregularien zu informieren und sie auf praktische Erfordernisse in ihrer Geschäftstätigkeit hinzuweisen. Man halte sich dabei »peinlich genau an die Vorgaben der EU bzw. der Bundesrepublik«. Bei »Stop the Bomb« ist man allerdings davon überzeugt, dass hier Strategien besprochen werden, um die Sanktionen geschickt zu umgehen. »Solche Seminare von einer Institution wie der Handelskammer, in denen man über die Sanktionen spricht und dann noch aufzeigt, wie man Güter in den Iran schleust, müssten verboten werden. Wir reden hier auch nicht von Sojaprodukten, sondern über Industriegüter oder Produkte im Hochtechnologiebereich«, sagt Mohr. Noch aber finden sie statt und erfreuen sich prominenter Gastredner wie etwa des iranischen Botschafters Sheikh Attar. Solange dieser ein vom Auswärtigen Amt akkreditierter Botschafter Irans ist, werde man sich regelmäßig mit ihm austauschen, wie man das mit allen seinen Vorgängern getan habe und mit seinen Nachfolgern weiter tun werde, lautet die Stellungnahme der deutsch-iranischen Handelskammer.