Bestrafung von »asozialem Verhalten« in Amsterdam

Containerweise Rüpel

In Amsterdam sollen Bewohner, die ihre Nachbarn einschüchtern oder bedrohen, in Container umgesiedelt werden. Wird die linksliberale Stadtregierung damit zur Erfüllungsgehilfin der Rechtspopulisten?

Der letzte Ausweg führt in den Container. Zumindest gilt das seit dem neuen Jahr für Bewohner Amsterdams, die ihre Nachbarn kontinuierlich und gezielt belästigen oder bedrohen. Wenn alle Vermittlungsversuche fehlschlagen, will die Amsterdamer Stadtverwaltung die Übeltäter künftig zwangsweise in gesonderten Wohnungen unterbringen.
Sechs Monate unterstehen sie dort der Aufsicht von Polizei und kommunalen Sozialarbeitern, bevor sie in ein normales Wohnumfeld zurückkehren dürfen. Grundlage ist eine Klausel des Verwaltungsrechts, die der Kommune gestattet, zum Erhalt der öffentlichen Ordnung einzelne Bewohner umzusiedeln. Juristische Schritte kommen in diesen Fällen nicht in Frage. In einem Konzeptpapier der Stadtverwaltung heißt es, wegen der »heimtückischen Art« der Belästigung sei den Schuldigen oft nichts nachzuweisen.
In ausländischen Medien wirbelte der Plan schon Ende vorigen Jahres einigen Staub auf. »Amsterdam will Abschaum-Dörfer schaffen«, ­titelte Anfang Dezember der britische Telegraph und platzierte neben den Artikel ein großes Foto des Rechtspopulisten Geert Wilders. Auf den nämlich geht der Begriff der sogenannten »Abschaum-Dörfer« zurück.

Anfang vorigen Jahres regte Wilders den Bau ­einer separaten Siedlung für »asoziale Wiederholungstäter« in jeder Provinz des Landes an. »Den Abschaum raus aus dem Kiez«, forderte Wilders, die Empörung war groß. Schickt sich jetzt ausgerechnet eine aus Sozialdemokraten, Marktliberalen und Linksgrünen bestehende Stadtregierung an, die Forderung der Populisten zu verwirklichen?
Genau von dieser Einschätzung aber distanziert man sich im Stadthaus. Erstens, sagt Sprecherin Tahira Limon der Jungle World, sollten die geplanten Wohnungen keineswegs räumlich konzentriert sein, sondern verstreut liegen. Zudem hätte Wilders seine Zielgruppe eher vage beschrieben, während in Amsterdam ein klares inhaltliches Konzept vorliege: Es gehe um die sieben bis zehn schwersten jährlichen Fälle systematischer und gezielter Einschüchterung. »Asoziales Verhalten wie öffentliches Urinieren reicht dazu nicht aus.«
Beispiele? Ein lesbisches Paar, das über einen langen Zeitraum belästigt wurde. Ein Junge, der vor Gericht gegen einen Nachbarn aussagte und dessen Familie danach einem täglichen Spießrutenlauf ausgesetzt war. Die Stadtverwaltung will sich vor die Opfer stellen, die in der Vergangenheit oft selbst die Konsequenzen zogen und einen neuen Wohnort suchten. Und das sei eine »verkehrte Welt«, sagte der sozialdemokratische Bürgermeister Eberhard van der Laan.
Diese Argumentation spiegelt die Komplexität des Themas wider. Einerseits bestätigt sich einmal mehr, dass repressive Konzepte am leichtesten von linksliberalen oder sozialdemokratischen Mehrheiten eingeführt werden. Andererseits betont die Gemeinde ausdrücklich, Containerkandidaten seien unter anderem Menschen, die etwa Homosexuelle gezielt belästigten. Hat das Konzept also am Ende gar einen emanzipatorischen Anspruch, der die drastischen Mittel rechtfertigt?

Trotz solcher Widersprüche fügt sich der Plan nahtlos in den niederländischen Sicherheitsdiskurs. Konsens wurde in ihm in den vergangenen Jahren die Forderung nach harten Maßnahmen von Justiz, Polizei und Kommunen. Charakteristisch ist die Annahme, die Polizei sei unterbesetzt und bedürfe daher der Unterstützung durch Gemeinden und Bürger. Daraus resultiert die Forderung, bestimmte Verhaltensformen müssten sanktioniert werden, auch wenn sie strafrechtlich nicht verfolgt werden können.
Die Stadtregierung ist derzeit auf der Suche nach geeigneten Unterkünften in dünner besiedelten Gegenden am Rand Amsterdams. Bürgermeister van der Laan betont, wenn rechtlich möglich, kämen auch Wohnungseigentümer für einen Aufenthalt im Container oder Caravan in Frage.