Berlin Beatet Bestes. Folge 175

Zurück bei den Schweden

Berlin Beatet Bestes. Folge 175. Brita Borg: Fat Mammy Brown (1957).

Letzte Woche habe ich Hunderte von Frauen im Arm gehalten, 40 Jazzplatten gekauft und 25 Euro für einen Burger bezahlt. Wie schon im vergangenen Jahr haben meine Freundin und ich zwischen Weihnachten und Neujahr am Snowball teilgenommen, einem sechstägigen Swing-Workshop in Stockholm. Alles fand praktischerweise in ein und demselben Hotel statt, so dass die Gäste morgens nach dem Frühstück gleich in ihre Tanzkurse gingen, am Nachmittag ausruhten, um dann im Ballroom bis in die Morgenstunden zu den besten Swingbands zu tanzen. Leider war das Hotel recht teuer. Ein einfacher schwarzer Kaffee kostete fünf Euro und so traf man die anderen Gäste nur selten an der Hotelbar und in der Lobby. Erst am letzten Tag waren wir so müde und hungrig, dass wir nicht mehr auf die Preise guckten. Im Handumdrehen hatten wir jeder einen Burger für 25 Euro verdrückt. Fünfundzwanzig Euro! Ich kann’s immer noch nicht fassen. Und sooo lecker waren die natürlich auch nicht. Nach sechs Tagen Tanz fühlte ich mich dennoch rundum glücklich. Aber auch leicht angeschlagen, der Snowball-Flu hatte mich erwischt. Eine leichte Erkältung scheint nach diesen Veranstaltungen unvermeidlich, denn irgendeine meiner Tanzpartnerinnen, mit denen ich zusammen schwitzte, übergab mir sicherlich ein paar Viren. Zwischen den Tanzkursen am Morgen und den Partys am Abend war genug Zeit, um die Stadt zu erkunden, und so bin ich auch in diesem Jahr in Stockholm wieder auf Platten­suche gegangen. Bei eisigen vier Grad unter Null machte ich mich auf, um einen der Plattenläden, die ich mir im Internet herausgesucht hatte, zu finden. Ich kam nicht weit. Als ich auf meinem Weg durch Zufall auf den Trödelladen Film & Musik Slussen, direkt im U-Bahnhof Slussen, stieß, erklärte ich meine Suche schon für beendet. Hier kostete jede Single zehn Kronen, etwas mehr als ein Euro, was im Hinblick auf das teure Stockholm schon extrem billig ist. Im vorigen Jahr habe ich eine Single des schwedischen Komikers Martin Ljung – Rock-Fnykis, eine Rock’n’Roll-Parodie aus Stockholm mitgebracht. Diesmal fiel mir eine weitere Single des Knäpupp-Labels in die Hände. Der Titel »Fat Mommy Brown«, gesungen von Brita Borg, ist eine Jazzparodie. Nach heutigen Maßstäben würde man die Darstellung auf dem Cover wohl rassistisch nennen, denn die dunkel geschminkte, noch dazu ausgestopfte Frau entspricht ganz dem Stereotyp schwarzer Jazzsängerinnen wie Ella Fitzgerald oder Mahalia Jackson. Dass die Inszenierung dennoch höchst versöhnlich und augenzwinkernd gemeint war, ist in einem Filmausschnitt des Songs auf Youtube zu sehen. Zudem hatte Schweden in den fünfziger Jahren, zusammen mit Frankreich, den größten Markt für Jazz in Europa, was sicher auch mit dem politisch liberaleren, im Vergleich zu Deutschland erheblich weniger rassistischen Klima zu tun hatte. Schweden ist und bleibt nun mal ein Jazzland. Und ich komme sicher wieder.