Die Reaktion

»Es ist Donnerstagmorgen und wie ein alter Wachhund liege ich hinter der Wohnungstür auf der Lauer. Man könnte denken, ich sei ein alter Greis, der auf dem Weg zur Toilette gestürzt und anschließend einfach liegen geblieben ist. (…) Doch stattdessen warte ich auf die Frau in dem gelb-schwarzen Regen-Overall, die mir neues Hirnfutter bringt. Zwischendurch nippe ich an der Club-Mate-Flasche, damit ich nicht merke, dass diese Aktion doch ganz schön langweilig ist. Mir fallen mehrfach die Augen zu und ich frage mich, ob es das wert ist, so lange vor der Haustür zu liegen. (…) Die neue Jungle World. Jetzt aus einer neuen Druckerei. Und haptisch. Anders! Angenehmer! Zärtlicher, fast wie das Fleisch eines jungen Mannes oder einer jungen Frau. Ach was, wie das Fleisch einer jungen Frau, die Jungle World scheißt ja auch auf das Binnen-Innen oder das Querstrich-/in. Meine Finger streicheln über die Zeitung … Das Streicheln führt zu einer fast erotischen Nahtoderfahrung. Nahtod? Natürlich, denn ich konzentriere mich so dermaßen auf das Papier und die Zeitung, dass ich über meine Sportschuhe – Marke Kinderhand – stolpere und haarscharf mit dem Kopf am Telefonschränkchen entlang segele. (…) Das war knapp und nachdem ich das Nasenbluten mit der Titelseite der neuen Jungle World unterbunden habe, bin ich doch etwas enttäuscht. Das alte Papier war saugfähiger. (…) Die nächsten Tage werden schwer. Ich werde mir Club Mate kaufen, den Teppichvorleger vor der Haustür ein wenig nachpolstern. (…) Am Dienstag melde ich mich auf der Arbeit für Mittwoch krank und begebe mich langsam in meine Position für den Donnerstagmorgen. Noch einen Schluck Mate, die Äuglein schließen, über das neue Papier der Jungle World streicheln und warten. Der nächste Donnerstag kommt bestimmt!« Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der lesenswerten Kurzgeschichte »Warten auf die Jungle World«, die der Essener Autor Mika Reckinnen auf seinem Blog »Alleiner Thread« veröffentlicht hat. Mika, wir grüßen und – natürlich – wir streicheln dich!