Die Zapatisten sind wieder da

Sie waren nie wirklich weg

Die Zapatisten sind wieder zurück in der medialen Öffentlichkeit und kritisieren ihre politischen Gegner.

»Wir, die nie verschwunden sind, auch wenn die Medien des gesamten Spektrums sich bemüht haben, das glauben zu lassen, erheben uns wieder als indigene Zapatisten, die wir sind und sein werden«, verkündete Subcomandante Marcos von der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) in einem seiner Kommuniqués zum Jahreswechsel. Die mexikanische Öffentlichkeit reagierte überrascht, als rund 40 000 unbewaffnete, mit Sturmhauben vermummte Anhängerinnen und Anhänger der indigenen Rebellenbewegung kurz vor Weihnachten fünf Kreisstädte des südmexikanischen Bundesstaats Chiapas mit Schweigemärschen kurzzeitig besetzten. Knapp eineinhalb Jahre lang hatten sich die Zapatisten aus der medialen Öffentlichkeit zurückgezogen. Von Politikern bereits für tot erklärt, wurde der EZLN als eine eigensinnige Bewegung mit einer Mischung aus Fundamentalismus, Folklore und Abkapselung dargestellt. Diese Sicht spiegelt jedoch eher die Ignoranz der mexikanischen Massenmedien wider. Die von den Zapatisten immer wieder dokumentierten paramilitärischen Angriffe auf autonome indigene Gemeinden wurden von Presse und Fernsehen verschwiegen.

Während sich das Land Subcomandante Marcos zufolge »mit einem von den Medien inszenierten Staatstreich« beschäftigte, bauten die Zapatisten ihre basisdemokratische Selbstverwaltung in den autonomen Landkreisen weiter aus. So konnten sie ihre Lebensbedingungen im Vergleich zu regierungsnahen indigenen Gemeinden der Region deutlich verbessern. Unterstützt wurden sie von verschiedenen NGOs wie dem Internationalen Roten Kreuz, Geld vom mexikanischen Staat lehnen die Zapatisten hingegen weiterhin ab. Die Erfolge des EZLN haben auch zu einer Steigerung des Selbstvertrauens anderer indigener Gruppen in ganz Lateinamerika geführt.
Dass die Zapatisten sich nun öffentlichkeitswirksam zurückmelden, hängt vor allem mit der Rückkehr der Partei der Institutionellen Revo­lution (PRI) an die Macht zusammen. »Damit ihr (die Anhänger des PRI, Anm. der Red.) es wisst, ihr seid nie wirklich von der Bildfläche verschwunden, wir auch nicht«, heißt es in der Mitteilung des EZLN vom 30. Dezember 2012. Viel Schlechtes verbindet die indigene Bevölkerung mit den PRI-Regierungen, nach der Niederschlagung des Aufstands des EZLN von 1994 militarisierten sie ganz Chiapas. Noch immer sind Militärkonvois und Straßensperren ein tägliches Bild im rohstoffreichsten, aber ärmsten Bundesstaat Mexikos. Nach Meinung vieler Menschenrechtsorganisationen versucht die Regierung, durch die repressive Militärpräsenz die kleinbäuerlich-indigenen Gemeinden zu spalten und die zapatistische Autonomiebewegung zu schwächen, um wirtschaftsliberale Entwicklungsvorhaben voranzutreiben.
Die Militarisierung ganz Mexikos rechtfertigte die Regierung in den vergangenen Jahren mit ihrem »Krieg gegen die Drogen«, dem unter dem ehemaligen Präsidenten Felipe Calderon mehr als 60 000 Menschen zum Opfer fielen. Bereits 2011 beschrieb Subcomandante Marcos den Drogenkrieg als eine »nationale Katastrophe« und einen »Eroberungskrieg« im Interesse der mexikanischen Oligarchie und des ausländischen Kapitals. Dieser Krieg werde von Repression gegen soziale Bewegungen und einem »Krieg gegen würdige Arbeit und gerechte Löhne« begleitet. Beunruhigend sind auch die Angriffe auf Menschenrechtler, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. NGOs prangern immer wieder die Verfolgung von sozialen Protesten im gesamten Land an. Über 90 Prozent der Übergriffe werden nicht strafrechtlich verfolgt.

Der EZLN befürchtet nun, dass die repressive Politik unter Mexikos neuem Präsidenten Enrique Peña Nieto fortgeführt wird. Der 46jährige geriet als damaliger Gouverneur des Bundesstaats México wegen Menschenrechtsverletzungen in San Salvador Atenco im Jahr 2006 öffentlich in die Kritik. Der neu ernannte Innenminister Miguel Osorio Chong bat nun die Zapatisten nach ihrem Großaufmarsch vom 21. Dezember um Geduld. »Präsident Peña Nieto kennt die Probleme der indigenen Bevölkerung und fühlt sich ihnen verpflichtet«, versprach er und mahnte die Mitglieder des EZLN, sie sollten nicht voreilig urteilen, denn sie würden die neue Regierung noch gar nicht kennen. Der neue Gouverneur von Chiapas, Manuel Velasco Coello von der Grünen Partei, forderte die Bundesregierung und das Parlament dazu auf, die Forderungen der Zapatisten nach indigener Autonomie anzuerkennen und realistische Vorschläge zu deren Umsetzung zu unterbreiten. Gleichzeitig kritisierte die Friedensbewegung um den Dichter Javier Sicilia die Ernennung von Jorge Luis Llaven Abarca zum Sicherheitsminister von Chiapas. Gegen den 37jährigen seien unzählige Klagen wegen Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen eingereicht worden.
In seiner Mitteilung zum Jahreswechsel stellte der EZLN klar, dass er weiterhin Distanz zu allen politischen Institutionen und Parteien Mexikos wahren werde. Zu sozialen Bewegungen des Landes wolle man aber Kontakt aufnehmen. Die Zapatisten bekundeten auch ihre Zugehörigkeit zum Nationalen Indigenen Kongress. Außerdem wolle man sich wieder mit Mitgliedern der »An­deren Kampagne« verbinden, einer antikapitalistischen Initiative zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Viele Experten sowie der Journalist Jorge Rocha der Tageszeitung La Jornada sprechen der Wiederbelebung der zapatistischen Bewegung große Bedeutung zu. Ihr öffentliches Auftreten habe eine neue Debatte über das politisch-ökonomische Modell Mexikos in Gang gebracht. Ein Dialog mit den Zapatisten sei somit unausweichlich. Nachdenklich stimmt nur, dass es dafür die Vermummung von 40 000 Indigenen braucht, die erst durch das Verdecken ihrer Identität für die Öffentlichkeit sichtbar werden.